Kochbücher zwischen Lust und Last -Teil 1

Kochen, Kochbücher, Kochshows, Kochmagazine – die Welle hat uns auch im vergangenen Jahr wieder heimgesucht und überschwemmt. Wer liest sie nur alle, wer sieht sie nur alle und über allem das: warum?  Unterhaltung der billigsten Art, Lernprozesse, die greifen sollen.  Wer sieht, der kocht nicht und wer liest, der wird oft an der Unverständlichkeit der Rezepte und der Zutaten verzweifeln. Außerdem haben einige Verlage das Ziel aus Lesern Schwerathleten zu machen, denn sonst sind die gewaltigen Formate und Kilogramme  nicht zu stemmen. Aus der fast unüberschaubaren Fülle sind mir aus den unterschiedlichsten Gründen 4 erwähnenswert:  „Die neue regionale Küche“ von Thomas Ruhl, „Küchen IQ“ von Alexander Herrmann,  „Die fabelhaften Rezepte der FUMIKO“ von Fumiko Kono und “Mälzer und Witzigmann“ .

„Die neue regionale Küche“ von Thomas Ruhl, erschienen im Matthaes Verlag. Preis: 69,90 €.

Ruhl bemerkt: “Die Renaissance der regionalen Küche und des regionalen Produkts ist ein internationaler Megatrend in der Haute Cuisine. Sei es die skandinavische Avantgarde-Küche von Magnus Ek und René Redzepi oder die des spanischen Kochgenies Quique Dacosta. Sie alle besinnen sich auf Produkte ihrer Region, schaffen daraus etwas völlig Neues oder lassen sich von klassischen Gerichten inspirieren und transportieren diese in die kulinarische Neuzeit – oder sogar trendsetzend in die Zukunft wie Joachim Wissler oder Sven Elverfeld.“  Na ja, ganz so neu und überraschend ist das alles nun auch wieder nicht. Vor Jahren schon war das Deutschlandradio Kultur mit einer 30 Sendungen umfassenden Serie „EssTour“ Wegbereiter dieses Trends. Spitzenköchinnen und Spitzenköche kochten ein regionales und saisonales Menü, die regionalen Produkte wurden vorgestellt und die Produzenten aus der Region. Trotzdem gut und wichtig, dass mit dem neuen Buch auf die Region und die Saison gesetzt wird. Ruhl ist ein guter Kenner der Materie, einer der besten Food-Fotografen, über 30 internationale Auszeichnungen sind bester Beweis. Trotzdem muss vor dem Buch gewarnt werden –  es sei denn sie haben Trüffel und Morcheln in Hülle und Fülle, Gänseleber, Pilzpuder, Malto und Xanthan, sind im Besitz von Flexiplanmatten, einem Hold-o-mat, besitzen einen Pacojet einen Thermomix, können vakumieren, im Wasserbad pochieren, exakt bei  72° garen und bei 92° dampfgaren. Sonst haben sie ein Nachkochproblem. Schade, dass unsere Topköche nicht vom  hohen Drahtseil  herunterkommen können und ihre vorhandene unbestrittene Kunst auch für Normalsterbliche nachvollziehbar machen. Rühmliche Ausnahmen: die Rezepte von Christian Lohse und Sascha Stemberg. Hier stürzt man sich sofort auf das Tatar vom Havelaal mit Meerrettich und Apfelgelee oder auf den Schwäbisch-Hällischen Jungschweinenacken oder den gebackenen Blutwurstplätzchen. Wunderbar.  Vieles andre aber: Hochseilartistik, die den Hobbykoch ratlos zwischen Pfannen und Töpfen lässt oder aber eine ungeheure Umsetzungsfantasie erfordert. Wunderbar aber im Buch die Geschichten über die Produkte und die Produzenten, ein Füllhorn an Informationen: Runkels Rinder auf Sylt, das Angler Sattelschwein, Paul Walter, der letzte Krabbenfänger auf Sylt, der Rosenhof von Sven Jacobsen auf Nordstrand, Zwergzebuherden im Allgäu, wo die Stiere 500 Kilo schwer werden und die weiblichen Tiere 250 – 350 Kilo ,der Altonaer Räucherofen, „Sus Srofa“ das wilde Schwein, der fränkische Schiefertrüffel oder die RAF Tomate, keine verblendete Hommage an die RAF sondern die Abkürzung für die spanischen Worte: „resistente a fusarium“. Beim Text hätte vielleicht etwas sorgfältiger redigiert werden können, um sprachliche Unsinnigkeiten oder unstimmige Bilder zu vermeiden. So wird auf den Autozug „aufgesattelt“, prasseln Regentropfen waagerecht, hätte das Licht der goldenen Morgensonne alles sicher mit einer dem Ort zustehenden Aura versehen, werden zwei süße Kinder durch Adoption aus der Not Südafrikas befreit. Neben der Idee, der gelungenen Umsetzung aber sind es vor allem die Bilder, die Fotos, die Thomas Ruhls Werk zu einem wirklich wunderbaren Bilderbuch machen.

Demnächst: Fumiko Kono „Die Fabelhaften Rezepte Der FUMIKO“

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