Rilke – der ferne Magier

Gerade wurde Rainer Maria Rilkes 150ster Geburtstag (4. Dezember 1875 in Prag) gefeiert und so kommt die neue, opulente Biographie von Gunnar Decker für alle Rilke „Einsteiger“, Interessierte und Kenner genau richtig. Hatte die Begeisterung für den deutschen Lyriker seine Hochzeiten vor 2000, so ist jetzt wieder ein steigendes Interesse an seinen Gedichten und Werken sowie seiner Person zu beobachten. Und das ist gut so.

Schwerpunktthemen
Foto aus dem o.g. Buch, eub

Die Biographie zeichnet das Bild des großen deutschen Dichters nicht in den üblichen biographischen Jahresabläufen. Eine umfangreiche Zeittafel ist übersichtlich im Anhang des Buches dargestellt. In dieser Biographie Rilkes offenbart der Autor in acht Schwerpunktthemen detailliert Rilkes Leben, mit Beschreibungen und mit Zitaten aus dem Leben des Lyrikers. Historische Fotos begleiten den Text und die ausführlichen Bildunterschriften erklären den Kotext der Bilder.

Beispiel-Kapitel ausgewählt aus dem Inhaltsverzeichnis

Prolog
Hälfte des Lebens
Anfänge
Prag als dunkler Traum, Zum ersten Mal Venedig
Aufbrüche
Die Frau, die ihm einen Namen gibt, Lou im Herzen. Von München nach Berlin und zurück nach Prag, Erlebnis Russland
Krise
Die Welt Stadt Paris und das Ereignis Rodin, In Rom am falschen Ort, Von Rom nach Schweden
Verwandlung,
Anders sehen mit Cezanne, Der Panther als Sinnbild der neuen Gedichte, Die beiden ersten „Duineser Elegien“
Absturz
Einberufung zum Kriegsdienst, Letzte Begegnung mit der Mutter, Rodins Tod, Schmerz und Befreiung zugleich
Flucht
Die Schweiz vor Augen, zum letzten Mal in Venedig und wieder in Paris, Virtuose der Fernstenliebe. Rilke und die Frauen, Wahltochter als Spiegel: Anita Forrer
Isolation
Vater aus der Ferne: Ruth heiratet und bekommt ein Geschenk, das Zwietracht sät, Vollendung der „Duineser Elegien“, „Der Brief des jungen Arbeiters“ und die Frage nach Gott
Sterben
Das langsame aber unaufhaltsame Sterben des Dichters, Ungaretti und Mussolini-wie politisch ist Rilke, Erfüllte Fernstenliebe. Briefgespräch mit Marina Zwetajewa
Epilog
Ein „Begräbnis zweiter Klasse“ für Rilke?

Rilkes Familie

Nach dem Willen Rilkes Vater sollte sein Sohn Offizier werden, nach dem Willen der Mutter Künstler. Deshalb entschieden sich die Eltern ihren Sohn René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke zu nennen? Seine Mutter hätte lieber eine Tochter. Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn bleibt räumlich immer distanziert. Mit Briefen versucht er Nähe zu schaffen. Aber nur dadurch. Zu seiner Hochzeit mit der Bildhauerin Clara Westhoff erschienen die Eltern gar nicht erst und seine Ehe hält auch nicht lange. Zu seiner Tochter gibt es keine Bindung, die Vaterrolle liegt ihm nicht, Geldnot bleibt ein stetiger Begleiter in seinem Leben.

Rilkes widersprüchliche Lebensart

Sein Leben ist geprägt von Reisen u.a. nach Russland, Schweden, nach Paris, Rom, Worpswede und Venedig, von Geldnot, von Mäzen und Frauen und der immerwährenden Suche, sich selbst zu finden. Seine wirklich große Liebe, Lou Andreas- Salomè, die ihm zu seinem endgültigen Vornamen Rainer überredet und ihn in seiner literarischen Entwicklung begleitet verlässt ihn, bleibt jedoch „die einzige Brücke zu allem Kommenden“, bis zu seinem Tod. Trotz aller Widrigkeiten, trotz der Krankheiten und auch oft psychischen Labilität zeigt Decker, wie Rilke kämpft und sich mit seinen Gedichten und Erzählungen zu einem modernen Dichter entwickelt. Er hinterließ nicht nur ein geniales Werk sondern auch Briefe, die Decker akribisch aufgearbeitet hat.
„Dieses Buch fragt nach Wendepunkten und Widersprüchen in Rilkes Leben, nach seiner Auffassung von Religiosität im Verhältnis zu Kunst. Ebenso nach verwandelten Begegnung mit Menschen und Orten, die in seinem Werk einen Resonanzraum finden.“ (Gunnar Decker)

Eine sehr lesenswerte Biographie, aufgelockert durch Erklärungen und Reflektionen, so dass das Lesen über Rainer Maria Rilke sehr interessante Informationen und Zusammenhänge offeriert und dabei richtig Spaß macht.

Gunnar Decker
Rilke – der ferne Magier
Eine Biographie

Fester Einband mit Schutzumschlag, 608 Seiten,
Mit zahlreichen Abbildungen
Siedler Verlag
ISBN: 978-3-827-50103-5

Foto: Cover, Siedler Verlag

Artikelfoto: Prag – Geburtsort von Rainer Maria Rilke, Foto: eub