Die kleine Republik Montenegro auf der Balkanhalbinsel hat nur etwas mehr als 600.000 Einwohner und eine Flächenausdehnung so groß wie Schleswig-Holstein. Während der internationale Tourismus die Küste Montenegros mit der Bucht von Kotor und dem malerischen Budva schon lange entdeckt hat, ist der gebirgsreiche Norden des Landes mit seinen großen Naturparks und romantischen Seen noch ein Geheimtipp. Dabei finden sich hier viele Dörfer, Höfe und traditionelle montenegrinische Almsiedlungen, die „Katuns“, mit außerordentlich herzlichen Gastgebern und köstlichen Speisen.
Inmitten der Schwarzen Berge
Als Ausgangspunkt für den Weg in die Bergregionen ist der kleine Ort Kolašin mit 3000 Einwohnern auf einer Höhe von 850 Metern gut gewählt. Immer gemächlich mit dem Minibus bergauf, bestaunt der Besucher schon bald die Sichten in den Bjelasica Bergen und im Nationalpark Biogradska Gora.


Die Fahrt geht vorbei an Wäldern, zumeist mit Tannen-, Kiefern- und Ahorn-Bäumen, die dem Land Montenegro seinen Namen gaben. Der serbische und montenegrinische Name „Crna Gora“ – Schwarzer Berg – ist abgeleitet vom venetianischen Monte Negro, eine Reminiszenz an die dichte, dunkle Bewaldung des Landes.
Der Nationalpark Biogradska Gora macht diesem Namen alle Ehre – hier befindet sich einer der letzten Urwälder Europas. Demgegenüber dominieren im nicht einmal 20 Kilometer entfernten Sinjajevina Gebirge große Bergweiden, gesäumt von schroffen Kalksteinfelsen.
Die Tara, der längste Fluss in Montenegro, prägt die Region. Sie hat über Jahrtausende eine stellenweise bis zu 1300 Meter tiefe Schlucht in das Felsgestein gegraben und bildet damit einen der längsten und tiefsten Canyons der Welt.
Hausmannskost im Norden Montenegros

Beim kleinen Ort Mojkovac bieten Slavenka und Goran Rabrenović auf ihrem Hof ländliche Gäste-Quartiere an und servieren ihre einheimische authentische Montenegriner Küche, z.B.:
Schichtkäse, der als frischer Rahm von der Kuhmilch abgeschöpft und mehrmals geschichtet und gefaltet wird – eine sehr populäre Spezialität in Montenegro und in Serbien;
Kajmak, das ist die dicke Fettschicht, die sich auf abgekühlter gekochter Milch bildet; sie wird in kleine Bällchen als Frisch-Käse oder Alternative zu Butter gereicht;
Blätterteig-Pasteten Pita Gibanica, gefüllt mit Brennnesseln und Käse, sowie eine Apfel-Pita mit Walnüssen als Dessert;
Proja, ein Brot aus Maismehl mit Olivenöl, auch mit Paprikastückchen und Käse, früher ein „arme Leute Essen“, heute hat es als Beilage fast Kultstatus;
Schinken, über Buchenholz geräuchert;



Montenegros Nationalgericht Ispod sača, im Topf oder traditionell im Erdofen geschmortes Kalb- und Lammfleisch mit Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten, Knoblauch und frischen Kräutern.
Und zum standesgemäßen Abschluss gibt es den Loza, einen Traubenschnaps aus dem Süden von Montenegro. Er ist nicht wie der Grappa eine Trauben-Resteverwertung, sondern wird aus ganzen Trauben hergestellt. Zur Auswahl stehen auch Obstbrände, die mit Obst aus dem eigenen großen Garten hergestellt werden, der Slivovitz aus Pflaumen, der Jabuka aus Äpfeln und der Birnenschnaps Kruškovac.
Agrar-Tourismus im Nationalpark Durmitor
Ein besonderes Schmuckstück in der nördlichen Bergregion von Montenegro ist der Nationalpark Durmitor mit dem Schwarzen See (Cerno jesero). Umgeben vom dunklen Nadelwald wird der See in smaragdgrüne Farbe getaucht. Ein attraktiver Wanderweg führt rund um den See. Wer es sportlicher angehen lassen möchte, kann eine Klettertour auf den Sattel der Götter auf 2500 Meter Höhe unternehmen. Überhaupt kommen Aktivurlauber im Norden Montenegros voll auf ihre Kosten – ob nun beim Rafting auf der Tara, beim Wandern, Biken oder Reiten durch die atemberaubende Berglandschaft und auch die Zip-Line über den Tara-Canyon darf nicht fehlen.

In dieser Bergregion befindet sich das kleine Städtchen Žabljak auf 1500 Metern Höhe, die höchst gelegene Kleinstadt Montenegros. Nicht weit entfernt von diesem touristischen Zentrum für Bergausflüge liegt der elf Hektar große Familien-Bauernhof von Zoran und Vera Pavićević, die sich mit ihrem ökologischen Landbau ganz dem Agrar-Tourismus verschrieben haben.

Stolz verweisen sie auf die 23 Bio-Zertifikate für ihre Produkte. Ihre Gäste in den insgesamt zehn Wohneinheiten wissen es zu schätzen, dass sie hier ausschließlich aus der Eigenproduktion der Familie Pavicevic versorgt werden, mit wenigen Ausnahmen wie Kaffee und Zucker.
Das Saiteninstrument Gusle gehört zum Haushalt

Die Tradition wird hier hochgehalten, wenn Bio-Bauer Zoran ein altes Musikinstrument herbeiholt, und seinen Gästen an der Tafel mit hausgemachten Speisen etwas vorspielt, auf einer Gusle. Dieses alte slawische Saiteninstrument hat sich seit Jahrhunderten in Form und Spielweise fast unverändert erhalten. Sie besitzt nur eine Saite und einen kunstvoll geschnitzten Kopf. Zorans Instrument ist mit einer Wildziege verziert, sie erinnert in dieser kargen Graslandschaft der Berge an die Hirtentradition.
Hotel mit eigener Räucherkammer für Schinken
Das Touristenzentrum Vučje liegt im Herzen der montenegrinischen Berge auf einer Höhe von 1370 Metern. Hier soll der Urlauber das ganze Jahr mit der perfekten Kombination aus unberührter Natur, Abenteuer und Komfort auf seine Kosten kommen. Im Winter ist es ein angesagtes Skigebiet, in den übrigen Jahreszeiten zieht die Herberge mit ihre 70 Betten Wanderer, Reiter und Radtouristen an. Und Sternengucker – die Region gehört zu den sogenannten Dark Sky Places, die einen ungehinderten Blick in den Himmel versprechen, weitab von den Lichtern der Zivilisation.


Im Hotel-Restaurant werden kulinarische Spezialitäten serviert, wie die Priganice, das sind sehr schmackhafte Hefe-Krapfen, und Schinken aus eigener Produktion. Auf dem Gelände des Touristikzentrums ist ein großes Schinkenlager mit Räucherkammer und einem Trockenlager eingerichtet, das die Region versorgt und natürlich zuallererst die eigenen Gäste.
Naturweine am Skadar-See

Ein Sightseeing Höhepunkt im Südosten von Montenegro ist der Skadar-See. Er ist der größte See auf dem Balkan, der größere westliche Teil des Sees gehört zu Montenegro, der östliche zu Albanien.
Der See ist mit seinen Feuchtgebieten ein Vogelparadies und eine Fahrt mit dem E-Bike durch die verträumten Dörfer und malerischen Landschaften spart nicht mit sensationellen Ausblicken auf das Wasser.
Wer hier unterwegs ist, sollte es nicht versäumen, die kleinen Weinberge und Felder zu besuchen. Das Weingut Jablan nahe von Rijeka Crnojevića wird von dem Winzerehepaar Angelika und Borislav Jablan bewirtschaftet.

Schon seit einigen Jahren hat sich das Winzerpaar auf seiner kleinen, nur zwei Hektar großen Rebfläche auf Naturweine spezialisiert. Die Weinreben sind 30 und 50 Jahre alt.
Die Winzer gehen mit dem Anbau einen biodynamischen Weg, d.h. ihre Weine besitzen eine EU-Zertifizierung. Sie produzieren zwar nur zwischen 1500 und 5000 Flaschen, aber die Nachfrage nach dieser bescheidenen Produktion ist groß, da sie auch auf internationalen Weinmessen erfolgreich bestehen konnte.
Tourismus spielt wichtige Rolle im Land
Wenn der Tourist seinen Urlaub im Norden von Montenegro plant, hat er nicht nur die ländlichen Quartiere auf familiengeführten Bauernhöfen, Appartements auf Weingütern oder in Touristik-Zentren zur Auswahl.

Es erwarten die Gäste auch viele Hotels mit internationalem Anspruch, wie zum Beispiel das 4-Sterne Swissôtel in Kolašin mit schicker Holz-Fassade, Schwimmbad und SPA und guter internationaler Küche.
Durch den Tourismus wird vor allem in den Küstenregionen immerhin mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet.
Künftig sollen die Tourismuszahlen sogar noch erhöht werden. In den Bergregionen im Norden und Osten des Landes ist dafür noch viel Platz.
Auf historischen Spuren in Podgorica
Die meisten Urlauber besuchen am Beginn und Ende ihrer Montenegro-Reise auch die Hauptstadt Podgorica, mit rund 150.000 Einwohnern ist sie auch größte Stadt des Landes. Ein Bummel durch Podgorica ist immer auch eine historisch interessante Entdeckungsreise. Da stehen Denkmäler, die an den Fürsten und ersten König von Montenegro, Nikola I. erinnern und nicht weit entfernt ein Uhrenturm, der die jahrhundertelange Herrschaft der Osmanen ins Gedächtnis ruft.

Und mittendrin geben sich christliche, osmanische und moderne Stilrichtungen der Architektur die Klinke in die Hand, da eine mittelalterliche Festung, dort eine Moschee, hier das verglaste Appartement-Gebäude und daneben eine orthodoxe Kirche.
Beim Rundgang durch Podgorica ist auch zu erfahren, dass ihr König Nikola I. auch etwas ironisch als Schwiegervater Europas betitelt wurde. Denn er hatte fünf seiner Töchter an die Königshöfe verschiedener europäischer Länder verheiratet – ein kluges diplomatisches Kalkül. Den Völkern in Europa könnte bis in die heutigen Tage viel Elend erspart werden, wenn in der Politik die Diplomatie dominieren würde. Eine Erkenntnis, die nicht zuletzt die deutschen Touristen mit nach Hause nehmen sollten.
Die Reise wurde von der nationalen Tourismus Organisation von Montenegro organisiert www.montenegro.travel
Text und Fotos: Ronald Keusch