Brandenburger Küche – der Kampf um die Aufhebung der Anspruchslosigkeit

©TMB Schwartz

 

Ich hatte einen Traum: ein kleiner See, ein kleiner Gasthof, eine kleine Karte. Region und Saison im Mittelpunkt. Dann das Erwachen, der Traum zerplatzte wie eine Seifenblase. Lieblosigkeit pur, Salatmatsch, Fleisch zur Zähigkeit verbraten, Beilagen weiche Wunderwelt. Leider immer wieder Realität, leider auch noch immer in Brandenburg. Dann aber Überraschungen , klein und gelungen. Die ’Alte Schule‘ in Ribbeck: kleine Karte, ein paar Tische unter alten Bäumen.

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Eine Bratwurst mit Geschmack, ein Kartoffelpüree voller Konsistenz und buttriger Sämigkeit, ein Hering in hausgemachter Sahnesauce und wieder eine Kartoffel, die nach Kartoffel schmeckte. Es geht also auch im Kleinen. Die Spitze in Brandenburg kann sich sowieso schmecken lassen, was immer noch fehlt und dadurch immer wieder zu negativen Erfahrungen führt, ist ein gesunder Unterbau. Zu wenig Fantasie, zu wenig Bereitschaft, sich mit den tollen Produkten der Region auseinanderzusetzen, sie ‚küchengerecht‘  zu behandeln. Es fehlt oft der Mut oder das Können, die regionalen Produkte mit modernen Gourmetakzenten zu versehen, das Spiel mit den Produkten aus dem Füllhorn einer Traditionslandschaft. Pflichtlektüre sollte Fontane sein, der von Brandenburger kulinarischen Produkten schwärmte und die es noch immer in Hülle und Fülle gibt. Dill, Morcheln und Rübchen aus Teltow, Oderkrebs, Hecht und Zander aus brandenburgischen Seen, Gänse aus dem Oderbruch, Honig aus Kienbaum, Milch und Butter aus dem Havelland, Gurken und Leinöl aus dem Spreewald, außerdem Werdersche Kirschen, Äpfel und Aprikosen. Welch ein Füllhorn. 

©TMB-Fotoarchiv/TV Spreewald e.V.

Nicht ‚ Koch sucht Bauer‘ sollte ein Motto sein, sondern der Kampf um die Aufhebung der Anspruchslosigkeit. Gerade junge Köche müssen hier ihre Chance suchen, gerade ältere Gastronomen müssen hier mitmachen und nicht resignieren: „das lohnt sich doch nicht, die paar Gäste, die kommen und kosten soll es auch nichts“.  Der Kampf um jeden Gast lohnt sich und mit der Zufriedenheit kommt auch der Erfolg. Fantasie, Mut und Handwerk als Voraussetzung  für die breite Basis einer erfolgreichen regionalen Küche. Wegweisend für einen solchen dauerhaften Erfolg ist Carmen Krüger in Eichwalde.

michael polster
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Eine Ein-Frau-Show, Einzelkämpferin in der Küche. Ihr Motto, das sich manch junger Versuchskünstler zu Herzen nehmen sollte, einfach, gut und ehrlich. Hier erlebt der Gast die Region pur, ohne Firlefanz, ohne Lockendrehen auf der Glatze. Korrekte, sensible Behandlung der regionalen Produkte und immer wieder kleine Nuancen, Überraschungen. Der essbare Beweis, wie man ihn auf dieser Ebene in Brandenburg nicht besser findet. Außerdem funktioniert hier das Prinzip der Vernetzung. Carmen Krüger und ihr Lebensgefährte kennen ihre Lieferanten, hegen und pflegen sie. Der Beweis ist erbracht: ohne Kontakte zu Erzeugern und Lieferanten, dem A und O einer erfolgreichen Küche, läuft nichts. ‚Carmens Restaurant‘ in Eichwalde ein Garant des guten Geschmacks, der Gault Millau honoriert das wieder mit 16 Punkten und 2 Hauben. Es geht also. Hier das eine Ende, des Erfolges und im Spreewald das andere Ende mit Oliver Heilmeyer.

jschi

1 Michelin Stern, 18 Punkte und drei Hauben – höchste Kreativität und Qualität, bestmögliche Zubereitung. Die Leichtigkeit dieser Küche,  das neue Licht, das auf regionale Produkte fällt, die Modernisierung alter Rezepte, die Veredelung des kulinarischen Erbes der Region mit modernen Akzenten, schaffen ungemein reizvolle und spannende Menüs.  Wildbarsch aus der Müritz,

jschi

Sauerfleisch vom Havelländer Apfelschwein, süß-saure Burger Kürbismarmelade, frittierter Grünkohl, eine Grützwurstkrokette,

jschi

Rote Bete Spaghetti und ein Quarkeis mit Leinöl.

jschi

Die Koch-Malpalette glänzt vor Farbenpracht, perfekte Vermittlung von Regionalküche und Innovation. So etwas bitte auch auf unterem und mittlerem Niveau.  Brandenburg kann auftrumpfen, kann punkten. Ein Genusssiegel für Reinheits-, Frische- und Qualitätsstandards, „Brandenburg unter Dampf“ ist ein guter Weg. Küchenchefs, Restaurants und Hotels bündeln ihre Kreativität und Kompetenz, versprechen mit diesem kulinarischen Netzwerk hochwertige und vielfältige Genüsse.  René Jahnke vom Restaurant  ‚Märkische Stuben‘ im Hotel Residenz am Motzener See erklärt: „Wir haben jeder unseren eigenen Stil, aber gemeinsam für Brandenburg kochen, bedeutet für uns Spaß und Freude, unsere kulinarische Kompetenz zu präsentieren.“  Frank Schreiber vom ‚Goldenen Hahn‘ in Finsterwalde sagt: „ Wir sind mit unserer Heimat verwurzelt und wollen die Landkreise in Sachen Arbeitsplätze und touristische Entwicklung voranbringen“.  Dazu gehört eben eine interessante, gute regionale Küche. Keine Covenience Produkte, keine Soßen- oder Tütenpulver, ehrliche, klare Jus und bitte nicht immer nur den Zander, der eher russisch spricht, als heimischen Dialekt. Die Identifikation mit der Region gelingt natürlich nicht immer, die Fluktuation ist erheblich, die Bezahlung im Vergleich zu anderen Bundesländern geringer. Trotzdem beweisen gerade die Spitzen, dass sich das lohnt. Seit 2007 kürt eine hochkarätige Jury neben dem Berliner Meisterkoch auch einen Brandenburger Meisterkoch. Auch eine bewusste politische Entscheidung von ‚Berlin-Partner‘, eine Entscheidung die Früchte trägt und eine leichte kulinarische Wüste kräftig bewässert hat. Keine Fata Morgana, sondern Realität: Alexander Dressel zaubert noch immer im Bayerischen Hof in Potsdam, Torsten Vogt musste im Schloss Hubertushöhe passen, die Besitzer gingen in die Insolvenz, Steffen Johst, Potsdam, ‚Speckers Landhaus‘ , ist der Titel Meisterkoch bekommen, jongliert gekonnt mit Region und Innovation, Frank Schreiber , Finsterwalde, ‚Goldener Hahn‘ , Oliver Heilmeyer, Carmen Krüger, Peter Krüger oder Marco Giedow beweisen, welche Möglichkeiten und Erfolge auch in Brandenburg möglich sind.  Das Wappentier Brandenburgs, der rote märkische Adler, schwingt sich auf zu kulinarischen Höhenflügen. Träume müssen nicht immer wie Seifenblasen zerplatzen, Fontane hat nicht nur mit der Beschreibung der kulinarischen Grundprodukte recht, sondern auch mit der Feststellung: ‘Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte‘.                                                                                                     Es gibt sie tatsächlich, die Baumeister und Architekten einer modernen Brandenburger Küche. Einer dieser großen Architekten, Oliver Heilmeyer antwortet auf zwei Fragen:

 Warum ist der Ruf der brandenburgischen  Küche und Köche nicht berauschend?

 „Brandenburg ist in Bezug auf die Gourmandise ein Bundesland mit sehr junger Geschichte. Auch der preußische Einschlag ist zu bemerken. Andere Bundesländer haben da viel mehr Zeit gehabt in dieser Richtung Qualität und im kleinen, handwerklichen Umfeld hergestellte Produkte aufzubauen. Nicht zu vergessen die generelle Strukturschwäche, die für gehobene Qualität kein Geld übrig hat. Oft werden sehr gute Ansätze durch ein fehlendes wirtschaftlich erfolgreiches Konzept frühzeitig zerstört.  Meine Sorge liegt auch bei den Medien in diesem Zusammenhang. Auf der einen Seite werden kurzfristig aufleuchtende Neuerungen in den Himmel gehoben und lange Jahre zuverlässig arbeitende Betriebe nicht oder schlecht erwähnt. Die Erwartungshaltung den Betrieben gegenüber lässt keine eigene Entwicklung zu. Dienstleistung ist in hiesigen Gegenden ein sehr strapaziertes Wort und wird demnach von Reisenden sehr oft bemängelt. Hier muss man über langfristige Verhaltensänderungen nachdenken. Brandenburg ist in diesem Punkt eine  Wüste.  Aber auch in einer Wüste gibt es Oasen.Viele in der brandenburgischen Gastronomie machen ihren Job… genügt das? Nein. Wir sollten das Wort Job ersetzen durch hohe Dienstbarkeit am Gast, Verantwortung bei Auswahl der Produkte, hohe Geschmackssensibilisierung und Freude am Neuen.Fehlende Weitsicht und Konzeptionslosigkeit in Bezug auf ein komplexes gastronomisches Konzept lässt unter Brandenburgs Köchen keine wirkliche Entwicklung einer regional betonten brandenburgischen Küche zu.  Und, wie oben beschrieben in der ganz großen Liga mitzuspielen bedarf es mehr an Hintergrund.

Wie sieht das Zusammenspiel mit den regionalen Anbietern aus?

„Sobald sich ein leistungsfähiger Kern herausgebildet hat, ist die Zusammenarbeit gut, wenn man bereit ist höhere Preise zu zahlen, was für mehr Aufwand und bessere Qualität ja auch sinnvoll ist. Leider sind viele Erzeuger, die ihre Arbeit beherrschen im Nebenbetrieb tätig und somit nicht flexibel und nicht leistungsfähig genug. Schön ist, dass es immer mehr biologisch, ökologisch ausgerichtete Landwirte gibt, die hervorragende Produkte anbieten. Hoffentlich finden Sie genügend Absatz um bestehen zu können.“

 

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