Deutsche Oper Berlin – die Saison 16/17

jschi
jschi

Ein heiterer Frühlingstag, der 17. März 2016. Das Rangfoyer der Deutschen Oper lichtdurchflutet, ideale Kulisse für die Präsentation der Saison 2016/2017. Heitere Gelassenheit oder gelassene Heiterkeit bei der Führungsriege des Hauses. Bisher eine gelungene Saison mit guter Auslastung, Persepktiven für die kommende Saison hervorragend, mit interessanten Projekten, Optimismus bis hin zur Dachsanierung der Probenbühne und der Sanierung der sanitären Anlagen.PK Deutsche Oper

Die Deutsche Oper Berlin startet mit den Premieren von Mozarts COSI FAN TUTTE (am 25. September) und Meyerbeers DIE HUGENOTTEN (am 13. November) in die Saison 2016/17 und setzt damit zwei Linien aus der vergangenen fort: letzte Premiere der laufenden Spielzeit ist Mozarts DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL, ebenfalls unter musikalischer Leitung von Donald Runnicles, so dass sich für Orchester und Sänger-Ensemble die Erarbeitung des speziellen Mozart-Klangs mit gleich zwei Neuproduk­tio­nen vertiefen kann. Mit Robert Borgmann wurde für COSI FAN TUTTE ein junger, mehrfach ausgezeichneter Schauspielregisseur mit einer ganz eigenen Handschrift gewonnen, der zum ersten Mal an der Oper arbeitet.

Aber auch die Beschäftigung mit Giacomo Meyerbeer und Benjamin Britten, die in den letzten Spielzeiten begon­nen wurde, findet ihre Fort­setzung:  in den HUGENOTTEN  überneimmt Juan Diego Flórez die Partie des Raoul von Nangis in der Inszenierung von David Alden , am Pult steht Michele Mariotti. Und am 19. März 2017 hat Brittens TOD IN VENEDIG Premiere, Regie führt der Brite Graham Vick, die musikalische Leitung liegt in den Händen von Donald Runnicles.

Ein Symposion zum Thema Oper und Religion geht der Premiere der HUGENOTTEN vom 11. bis 13. November voraus. Oper stellt die Fragen nach Erlösung und Verdammnis, sie imitiert religiöse Rituale, sie beleuchtet aber auch den Missbrauch von Religion für machtpolitische Zwecke.

In Vorträgen und Podiumsdiskussionen widmet sich das Symposion dem Umgang der Oper mit dem Glauben, aber auch dem Umgang der Welt­religionen mit dem Musiktheater.

Das Engagement für die zeitgenössische Oper, das mit der Uraufführung von Georg Friedrich Haas’ MORGEN UND ABEND (als Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden) in dieser Saison einen pointierten Anfang setzt, wird von nun an jährlich auf der großen Bühne fortgeführt. Am 19. Februar wird Andrea Lorenzo Scartazzinis EDWARD II. unter musikalischer Leitung von Thomas Søndergård und in der Regie von Christof Loy uraufgeführt. Und schon heute sei verraten, dass Aribert Reimann, dem das Haus in der kommenden Woche ein Sinfoniekonzert zu seinem 80. Geburtstag widmet, für uns eine neue Oper schreibt, die im Herbst 2017 urauf­geführt werden soll.

Mit der Premiere von Wagners DER FLIEGENDE HOLLÄNDER am 7. Mai 2017 komplettieren wir, unter musikalischer Leitung von Donald Runnicles, das Repertoire der Wagner-Opern am Haus. Und wir freuen uns, nach der erfolgreichen Zusammenarbeit bei Berlioz’ FAUSTS VERDAMMNIS Christian Spuck wieder als Regisseur für eine Neuproduktion gewonnen zu haben. Zum Ende der Saison, mit Premiere am 17. Juni 2017, zeigen wir als Koproduktion mit dem Royal Opera House in Covent Garden Modest P. Mussorgskijs BORIS GODUNOW mit Ain Anger in der Titelpartie.

In der Tischlerei, jenem Raum für Experimente, die sich auf die Tradition der Oper beziehen können oder aber versuchen, etwas Neues und Eigenständiges zu kreieren, beginnt die Saison am 1. Oktober mit der Uraufführung von GIANNI. Dafür kooperiert die Berliner Band Brandt Brauer Frick mit Künstlern der unterschiedlichsten Genres, so dass Operngesang, Clubmusik und Elemente eines Voguing-Balls eine neue musiktheatrale Form versprechen. In DIDO (Premiere am 28. Januar) geht es um eine Neubearbeitung von altem Material: Der Berliner Komponist Michael Hirsch arrangiert die Musik von Purcells DIDO AND AENEAS neu und stellt sie seiner eigenen Komposition des Librettos LA DIDONE ABBANDONATA aus dem Jahr 2003 gegenüber. Mit den NEUEN SZENEN III wird die Arbeit mit jungen Komponisten und Studierenden der Hochschule für Musik Hanns Eisler im April 2017 fortgesetzt.

Wir freuen uns, dass die Deutsche Oper Berlin für die International Opera Awards 2016 in der Kategorie „bestes Opernensemble“ nominiert wurde und damit das sehr erfolgreiche Opernjahr von der internationalen Jury honoriert wird.

Im Vorwort zur wieder sehr gelungenen Programmvorschau schreiben Dietmar Schwarz, Intendant – Donald Runnicles, Generalmusikdirektor und Thomas Fehrle, Geschäftsführender Direktor:

Mit seinem Fliegenden Holländer schuf Richard Wagner die Inkarnation des Außenseiters auf der Opernbühne: Ganz allein tritt uns dieser „Verdammte der Meere“ entgegen und innerhalb von nicht einmal zehn Minuten gelingt es Wagner, uns all die widerstreitenden Gefühle nahe zu bringen, die dieses Außenseitertum ausmachen: Einsamkeit und Entfremdung, Verzweiflung und Hass, aber auch Hoffnung, Trotz und sogar Stolz.

Die Oper hat immer wieder Außenseitertum in all seinen Facetten zum Thema gemacht und ihm eine Stimme gegeben: Von der Medea der Barockoper über Verdis Rigoletto bis hin zu Bergs Wozzeck und Brittens Peter Grimes hat sie den Standpunkt derjenigen eingenommen, die ausgegrenzt werden, die sich aber auch oft selbst fremd fühlen im eigenen Leben.

In vier der Neuproduktionen, die wir Ihnen in dieser Spielzeit zeigen wollen, ist dieses Außenseitertum explizit: Im FLIEGENDEN HOLLÄNDER, aber auch in EDWARD II., der neuen Oper, die der Schweizer Andrea Lorenzo Scartazzini auf der Grundlage von Christopher Marlowes Tragödie über den angeblich homosexuellen englischen König komponiert hat. Und natürlich in Benjamin Brittens letzter Oper TOD IN VENEDIG nach Thomas Manns Novelle sowie in Giacomo Meyerbeers DIE HUGENOTTEN, in denen ein ganzer Bevölkerungsteil aufgrund seiner Konfession zu Außenseitern abgestempelt wird.

Aber sind nicht auch die vier jungen Menschen, an denen Mozart und Lorenzo da Ponte ihr Opernexperiment namens COSI FAN TUTTE vorführen, einem Entfremdungsprozess ausgesetzt, der sie in eine immer stärkere Distanz zu ihrer Umwelt bringt? Und lösen die Schuldgefühle und die viel beschworene „Einsamkeit der Macht“ nicht auch bei Mussorgskijs Boris Godunow einen durchaus vergleichbaren Entfremdungsprozess aus? Und ist nicht der Modezar Gianni Versace, dem in dieser Spielzeit unsere erste große Neuproduktion in der Tischlerei gewidmet ist, auch ein solcher, im goldenen Käfig ausgestellter Außenseiter?

Diese Fragen sollen weniger Arbeitsaufträge an die Inszenierungsteams sein als vielmehr eine Einladung an Sie, unser Angebot an Musiktheater in dieser Spielzeit einmal ganz besonders aus dieser Perspektive zu betrachten – ebenso wie der Fokus der letzten Spielzeit auf der Darstellung politischer Prozesse in der Oper lag.

Und ähnlich wie sich die Politik immer neue Symbole sucht, definiert sich Außenseitertum immer an neuen Merkmalen, besitzen die Abgründe, die den Einzelnen von der Masse trennen, immer wieder andere Bruchkanten. Deshalb haben wir Regisseure verpflichtet, von denen wir glauben, dass sie für die Aktualität dieser Stoffe ein besonderes Sensorium besitzen: Christof Loy und Graham Vick, David Alden und Christian Spuck sind Ihnen bereits durch ihre packenden Arbeiten an der Deutschen Oper Berlin bekannt, hinzu kommen der Brite Richard Jones und der junge Schauspielregisseur Robert Borgmann, der bei uns seine erste Opernarbeit vorlegen wird.

Die Qualität von gutem Musiktheater, den Einzelnen wie unter einem Vergrößerungsglas zu zeigen und ihn quasi hautnah an uns heranzurücken, haben wir auch in den Bildern des japanischen Künstlers Satoshi Fujiwara entdeckt. Seine scheinbar natürlichen, aber in Wirklichkeit kunstvoll komponierten Nahaufnahmen werden die Deutsche Oper Berlin durch diese Spielzeit begleiten und prägen auch diese Vorschau. In ihrer extremen Nahsicht wirken die in der S-Bahn beobachteten Menschen verstörend fremd, doch zugleich spüren wir, dass dieses Fremde nicht durch Anderssein, sondern allein durch den ungewöhnlichen Blickwinkel zustande kommt.

Darüber hinaus bieten wir Ihnen auch in dieser Spielzeit wieder die ganze Vielfalt, die lebendiges Musiktheater ausmacht: Mit unserem Repertoire von 28 Produktionen auf der großen Bühne, mit unserem umfangreichen Angebot für Kinder und Jugendliche im Rahmen der Jungen Deutschen Oper, mit Uraufführungen in der Tischlerei und darüber hinaus mit Kammer- und Sinfoniekonzerten, Liederabenden, einem großen Spielzeiteröffnungsfest, und vielem anderen.

Die gesamte Vorschau unter deutscheoperberlin.de