Deutsche Oper Berlin Saison 13/14

 

Intendant Dietmar Schwarz
foto: pablo castagnola

 Die Spielzeit Pressekonferenz war eine straffe, gelungene Insznierung. Knapp eine Stunde für vielversprechende Insznierungen, große Namen und Spannung. Intendant und Generalmusikdirektor gelassen und locker, das Haus ist gut bestellt, die Auslastung bei 80%, die Deutsche Oper Berlin mischt wieder kräftig mit im Konzert der Opernhäuser. Nur ein Moment der Auseinandersetzung, der Versuch einer kleinen Provokation durch einen journalistischen Kollegen und seine Interpretation und Frage nach dem Begriff ‚Star‘. Die Argumentation hat wahrlich keine Bravi verdient. Donald Runnicles sprach sehr engaiert und nachhaltig vom eigentlichen Star der Deutschen Oper, dem Ensemble. Und die Vorschau macht einfach nur Appetit.

Generalmusikdirektor Donald Runnicles
foto:pablo castagnola

Die folgenden Texte stammen von der DRAMATURGIE DER DEUTSCHEN OPER BERLIN.

Eröffnet wird die neue Saison im großen Haus am 8. September 2013 mit Verdis NABUCCO in der Regie von Keith Warner und unter musikalischer Leitung von Andrea Battistoni. Und ebenso wie wir mit Lachenmanns DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN zu Beginn der letzten Spielzeit ein kraftvolles Signal für das zeitgenössische Musiktheater gesetzt haben, wollen wir das auch zum Start der neuen tun: Die HIMMELSMECHANIK, die auf dem gleichnamigen Stück Mauricio Kagels aufbaut und ab dem 22. August in den Foyers des Hauses stattfinden soll, während auf der Bühne noch die Sanierungsarbeiten laufen.

Die Liste der Neuproduktionen erklärt sich am besten mit Blick auf das bisher Gezeigte: Wir knüpfen mit Brittens BILLY BUDD in der Regie von David Alden, einer Koproduktion mit der ENO (Premiere am 22. Mai 2014), an die gelungene Zusammenarbeit von Generalmusikdirektor Donald Runnicles und David Alden bei PETER GRIMES an. Und mit FAUSTS VERDAMMNIS in der Regie von Christian Spuck (Premiere am 23. Fe­bruar) kann Donald Runnicles mit dem Orchester an den Berlioz-Stil anknüpfen, den er für DIE TROJANER entwickelt hat.

Die eine Hälfte unserer Neuproduktionen ist mithin Werken gewidmet, die auf dem Berliner Opernspielplan Raritätenstatus haben. Mit den anderen Neuproduktionen stellen wir uns der ebenso wichtigen Aufgabe, unser Repertoire an zentralen Werken der Opernliteratur zu erneuern. Neben NABUCCO werden wir mit FALSTAFF in der Regie von Christof Loy (Premiere am 17. November) ein zweites Werk von Giuseppe Verdi in einer zeitgenössischen Sicht präsentieren und freuen uns auf die neuerliche Zusammenarbeit von Donald Runnicles und Christof Loy.

22. August 2013  Kagel/Steinhäuser : Himmelsmechanik- Eine Entortung

In einer auf zwei Spielzeiten angelegten Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstlernetzwerk „phase7 performing.arts“ entstehen Projekte, die den Zuschauer aus seiner herkömmlichen Sitzposition lösen und „aktivieren“: Das Publikum bewegt sich in einer begehbaren Operninstallation, außerhalb des traditionellen Zuschauerraums. Geschaffen wird eine Schnittstelle von klassischem Musiktheater mit crossmedialer Inszenierung und wissenschaftlich auditiver Forschung. Ausgehend von Mauricio Kagels szenischer Komposition HIMMELSMECHANIK untersucht das Projekt den Einsatz räumlicher Audio-Wiedergabeverfahren.  Kagels HIMMELSMECHANIK aus dem Jahr 1965 beschreibt als fast surreale Partitur das Aufeinandertreffen von außer Kontrolle geratenden Wetterphänomenen: falsch gebogene Regenbögen, vom Blitz getroffene Halbmonde oder aufwärts stürzende Gestirne implizieren die fehlerhafte Statik eines aus den Fugen gesprungenen Universums. Die Inszenierung von phase7 bespielt die großzügigen Foyers der Deutschen Oper, die mit ihren weiten Flächen und dem konsequenten Sechziger-Jahre-Stil per se schon Kunst-Räume sind. Im oberen Foyer werden zunächst die szenischen Anweisungen Kagels gemäß ihrer zeitlichen Verankerung umgesetzt: Das Ambiente, das seit dem Bau des Gebäudes 1961 im Wesentlichen nicht verändert wurde, unterstreicht dabei den Originalkontext der Partitur. Musiker mit Donnerblechen, Windmaschinen und weiteren traditionellen Theatermitteln umgeben das Publikum mit dem von Kagel favorisierten, sich autonomisierenden Klang.

Der zweite Teil des Abends führt in das untere Foyer. Der Ortswechsel wird zum Schritt in die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters: innerhalb einer Architektur aus 75 Lautsprechern entwickelt sich Kagels Ansatz mit medialen Mitteln weiter. Während sich Kagels Möglichkeiten 1965 auf „Mikrophone und Verstärkungsanlagen“ beschränkten, durchlaufen die Geräusche jetzt zeitgenössische Feedbackschleifen und werden innerhalb der Partitur zu gezielt eingesetzten, verfremdeten Audio-Signalen. Gemäß Kagels kompositorischen Maxime wird auch hier der Einsatz des gleichen Geräuschs auf unterschiedliche Weise interpretiert. Grundlage dafür ist die sog. Wellenfeldsynthese (WFS), ein räumliches Audio-Wiedergabeverfahren mit dem Ziel, virtuelle akustische Umgebungen zu schaffen. Klangquellen können mit dieser Technik auf verschiedenen Ebenen frei im Raum bewegt und mit Eigenschaften versehen werden. So wird der Gedanke einer marode gewordenen „Himmelsmechanik“ in die digitale Gegenwart transferiert. Das Geräusch eines nahenden Gewitters kann über die Zuschauer hinweg ziehen, das Prasseln von Regentropfen direkt über den Köpfen einzelner Hörer platziert werden, einzelne Instrumentengruppen scheinen sich von ihrem realen Klangkörper zu lösen und durchstreifen den dreidimensionalen Raum.

phase7 performing.arts setzte die Wellenfeldsynthese bereits erfolgreich bei der Inszenierung von Morton Feldmans NEITHER ein. In Kooperation mit IOSONO (Ausgründung aus dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Ilmenau) wurden Zuschauer und Sopranistin von einem 80-Lautsprecher-System umschlossen. Premiere der auch aufgrund ihres innovativen Ansatzes vielbeachteten Inszenierung war im Festspielhaus Hellerau. Weitere Aufführungsreihen im Radialsystem Berlin und auf dem New Vision Arts Festival in Hongkong folgten. 2013 wird NEITHER u. a. auf den Festspielen Bergen in Norwegen und dem Sydney Festival zu sehen sein. Ebenfalls im April 2013 wird phase7 für NEITHER mit dem Deutschen Bühnenpreis OPUS ausgezeichnet.

Der junge Komponist Christian Steinhäuser arbeitet stil-und genreübergreifend in den Bereichen Komposition –Sound –Video. Er beschäftigt sich vor allem mit der Verbindung virtueller orchestraler Klänge und live gespielter Musik. Internationale Kompositionsaufträge führten ihn u.a. zu den Asian Games in Doha 2006. 2005 komponierte er die Einstein-Oper C –THE SPEED OF LIGHT, im Jahr 2012 die 3d-Sonate „delusions II“, die im Radialsystem Berlin uraufgeführt wurde und zum New Vision Arts Festival in Hongkong eingeladen wurde. Mit phase7 performing.arts verbindet Christian Steinhäuser eine lange künstlerische Partnerschaft.

Sven Sören Beyer ist der künstlerische Leiter von phase7 performing. arts. Seine Ausbildung erhielt er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ und der Paluccaschule in Dresden. Nach Arbeiten an nationalen Bühnen gründete er 1999 mit phase7 seine eigene Company und etablierte sich schnell als gefragter Medienkünstler. Beyers crossmediale Ästhetik und seine Faszination für technische Innovationen prägten von Beginn an Inszenierungen von phase7, die u. a. zum Dance Camera West/Los Angeles, zum New Vision Arts Festival Hongkong oder zur Cult u-ral Capital of Europe Stavanger eingeladen wurden.

 

Inszenierung Sven Sören Beyer

Libretto Christiane Neudecker

Licht Bjoern Hermann

Dramaturgie Dorothea Hartmann, Anne Oppermann

 

8. September 2013   Verdi: Nabucco

 „Va, pensiero, sull’ale dorate“ –„Flieg‘, Gedanke auf goldenen Flügeln“ –als der Chor der Mailänder Scala am 9. März 1842 zum ersten Mal die Zeilen des Hebräerchores im dritten Akt von Giuseppe Verdis Oper NABUCCO intonierte, schrieb er ein Stück Musikgeschichte. Der „Gefangenenchor“ avancierte sofort zur heimlichen Nationalhymne des damals noch nicht vereinigten Italien und der junge Komponist wurde zum Hoffnungsträger der Opernszene. Seither ist das Drama um die babylonische Gefangenschaft des Volkes Israel unter König Nebukadnezar eine der bekanntesten Verdi-Opern geblieben und wurde an der Deutschen Oper Berlin zuletzt vor 13 Jahren von Hans Neuenfels in Szene gesetzt.

Im Verdi-Jahr stellt jetzt Keith Warner seine Annäherung an den Stoff vor: Orientiert an der Entstehungszeit des Werkes, die durch den Umbruch von feudalen Strukturen zur bürgerlich-industriellen Gesellschaft geprägt war, stellt Warner den Gegensatz zweier Völker in den Vordergrund seiner Inszenierung: der modernen Hebräer, deren Kultur durch Schrift und ein demokratisches Bildungsideal geprägt ist, und der militaristischen Babylonier, deren Staatsverständnis auf einem autokratischen Herrschaftssystem beruht. Die musikalische Leitung übernimmt der junge Italiener Andrea Battistoni, in der Titelpartie ist Johan Reuter zu erleben. In der Partie der Abigaille kehrt die russische Sopranistin Anna Smirnova, die zuletzt als Lady in Robert Carsens Produktion des MACBETH einen triumphalen Erfolg an der Deutschen Oper Berlin feierte, an das Haus zurück.

Keith Warner wurde 1956 in London geboren. Er inszenierte u. a. Wagners LOHENGRIN in Bayreuth, DER RING DES NIBELUNGEN in Tokio, Leoncavallos I PAGLIACCI und Mascagnis CAVALLERIA RUSTICANA an der Staatsoper Berlin, Brittens THE TURN OF THE SCREW am Théâtre de la Monnaie und Strauss’ DIE FRAU OHNE SCHATTEN in Hamburg. In Covent Garden feierte er mit Bergs WOZZECK (ausgezeichnet mit dem Olivier Award sowie als beste Opernproduktion 2003) und dem RING DES NIBELUNGEN große Erfolge. Außerdem arbeitet er regelmäßig an der Oper Frankfurt. Bei den Bregenzer Festspielen inszenierte er im Sommer 2011 Umberto Giordanos ANDREA CHÉNIER. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Theater an der Wien, wo er zuletzt Hindemiths MATHIS DER MALER inszenierte.

Der 1987 in Verona geborene Andrea Battistoni wurde 2011 für drei Jahre zum Ersten Gastdirigenten des Teatro Regio in Parma ernannt. Seine bisherige Dirigentenlaufbahn führte ihn ans Theater Basel, wo er 2008 mit LA BOHÈME sein Operndebüt gab. An Opern dirigierte er außerdem IL VIAGGIO A REIMS, IL MATRIMONIO SEGRETO, ATTILA, LA TRAVIATA, IL BARBIERE DI SIVIGLIA und RIGOLETTO. 2012 folgten NABUCCO in Tokio, sein Debüt an der Mailänder Scala mit LE NOZZE DI FIGARO und eine konzertante Aufführung von IL TROVATORE an der Deutschen Oper.

Johan Reuter studierte in Kopenhagen an der Königlichen Musikakademie und an der Akademie der Königlichen Oper, seit 1996 ist er Ensemblemit-glied. 2006 debütierte er als Wozzeck am Royal Opera House Covent Garden. 2009 gastierte er als Barak (DIE FRAU OHNE SCHATTEN) an der Deutschen Oper Berlin, 2010 mit der Titelpartie von DER FLIEGENDE HOLLÄNDER in Madrid, als Mandryka (ARABELLA) an der Wiener Staats-oper und als Jochanaan (SALOME) in London. Zudem sang er in Bayreuth unter Christian Thielemann den Wotan in DAS RHEINGOLD.

Anna Smirnova, erhielt ihre musikalische Ausbildung am Tschaikowsky-Konservatorium ihrer Heimatstadt Moskau. Engagements führten sie u.a. an das Royal Opera House Covent Garden, die New Yorker Metropolitan Opera, die Wiener Staatsoper sowie an die Opernhäuser von Rom, Florenz und Mailand. Große Erfolge in der letzten Zeit waren Principessa (ADRIANA LECOUVREUR), Amneris in Wien und London sowie ihr Debüt an der Metropolitan Opera als Eboli (DON CARLO). An der Deutschen Oper Berlin war sie als Eboli und als Lady Macbeth zu erleben.

 

Musikalische Leitung Andrea Battistoni /

William Spaulding (8., 13. Okt.)

Inszenierung Keith Warner

Bühne Tilo Steffens

Kostüme Julia Müer

Chöre William Spaulding

Dramaturgie Jörg Königsdorf

Nabucco Johan Reuter

Ismaele Yosep Kang / Thomas Blondelle (Oktober)

Zaccaria Vitalij Kowaljow / Orlin Anastassov (Dez.)

Abigaile Anna Smirnova

Fenena Jana Kurucová / Ronnita Miller (Oktober)

Oberpriester des Baal Marko Mimica / Andrew Harris

Abdallo Jörg Schörner / Gideon Poppe

Anna Hulkar Sabirova / Martina Welschenbach

17. November 2013  Verdi: Falstaff

Mit der Regiearbeit von Janáčeks JENŮFA gelang Christof Loy 2012 ein triumphaler Erfolg an der Deutschen Oper Berlin. Dies lag nicht zuletzt an der herausragenden Teamarbeit mit Generalmusikdirektor Donald Runnicles, die nun mit FALSTAFF ihre Fortsetzung findet.

Christof Loy rückt den Gedanken des Spiels ins Zentrum seiner Inszenierung und verknüpft ihn mit einem zweiten FALSTAFF-Thema: dem Altern. Das Theater-Spiel erstreckt sich in diesem Sinne auch auf unterschiedliche Alterszuschreibungen. Was bedeutet es, „alt“ zu sein? Was bedeutet es, einen alten Menschen, einen alten Künstler, einen alten Sänger zu spielen? Inspirationsquelle dieser Ideen ist nicht zuletzt der Umstand, dass FALSTAFF in derselben Zeit entstand, in der Verdi das Musiker-Altenheim „Casa Verdi“ in Mailand gründete. Christof Loy zählt zu den international gefragtesten Opern-und Schauspielregisseuren seiner Generation. Er inszeniert an allen großen Häusern weltweit, u. a. in Hamburg, Brüssel, München, Frankfurt, Düsseldorf, Glyndebourne, London, Kopenhagen, Aix-en-Provence, Wien, Genf, Amsterdam, Stockholm und bei den Salzburger Festspielen. Christof Loy erhielt 2001 den Musikpreis der Stadt Duisburg und wurde für seine Londoner Inszenierung von ARIADNE AUF NAXOS für den Laurence Olivier Award nominiert; 2003, 2004 und 2008 ging er aus der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt als „Regisseur des Jahres“ hervor. Für seine Frankfurter Inszenierung von COSÌ FAN TUTTE erhielt er 2008 den Deutschen Theaterpreis DER FAUST, für TRISTAN UND ISOLDE an Covent Garden 2010 den Laurence Olivier Award. Die DVD seiner LULU (ebenfalls Covent Garden) wurde für den Grammy Award 2011 nominiert, die DVD der Salzburger THEODORA für den Deutschen Schallplattenpreis.

Kammersänger Markus Brück, Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin und Gast an allen großen Bühnen in Europa, übernimmt in der Neuinszenierung die Titelpartie, nachdem er bisher in FALSTAFF als Ford zu erleben war. Mit Christof Loy arbeitete Brück bereits 2011 bei den Salzburger Festspielen (DIE FRAU OHNE SCHATTEN). Weitere Höhepunkte seiner Karriere waren Partien wie Balstrode (PETER GRIMES), Ford (FALSTAFF), Posa (DON CARLO), Germont (LA TRAVIATA), Wolfram (TANNHÄUSER), Donner und Gunther (DER RING DES NIBELUNGEN), Figaro (DER BARBIER VON SEVILLA), Graf Almaviva (DIE HOCHZEIT DES FIGARO) oder Valentin in Gounods FAUST an der Deutschen Oper sowie Gastengagements an den Opernhäusern in Hamburg, München, Dresden, Stuttgart, Wien, Barcelona, Mailand, Helsinki, Paris, Seattle und bei den Bayreuther Festspielen.

 Musikalische Leitung Donald Runnicles

Inszenierung Christof Loy

Bühne Johannes Leiacker

Kostüme Ursula Renzenbrink

Licht Bernd Purkrabek

Chöre William Spaulding

Choreographie Thomas Wilhelm

Dramaturgie Dorothea Hartmann

Falstaff Markus Brück

Ford Michael Nagy

Fenton Joel Prieto

Doktor Cajus Thomas Blondelle

Bardolfo Gideon Poppe

Pistola Marko Mimica

Alice Ford Barbara Haveman

Nannetta Elena Tsallagova

Mrs. Quickly Dana Beth Miller

Meg Page Jana Kurucová

 

23. Februar 2014   Berlioz: La Damnation de Faust

Nach dem großen Erfolg von LES TROYENS dirigiert Generalmusikdirektor Donald Runnicles mit FAUSTS VERDAMMNIS ein weiteres zentrales musiktheatrales Werk von Hector Berlioz. FAUSTS VERDAMMNIS betitelte Berlioz selbst zunächst als „konzertante Oper“, dann als „dramatische Legende“. Letztlich ist dieses Werk vor allem eines: ein großes Spektakel, das verschiedenste Formen integriert. Oper, Oratorium und symphonische Elemente, dazu Liedeinlagen, Tänze, große Chornummern oder eine Fugen-Parodie sind Bestandteil der Partitur. Musikalisch könnte eine Komposition aus der Mitte des 19. Jahrhunderts kaum heterogener sein. Hierin spiegelt sich auch die Titelfigur selbst: Fausts Welt ist nicht mehr linear beschreibbar. In Episoden wird das Leben eines Romantikers erzählt, der nicht als aktiv Handelnder auftritt, sondern in der Nachfolge eines Lord Byron am „ennui“ leidet. Nichts kann Faust aus dieser Langeweile und Lethargie herausreißen, weder kriegerischer Lärm noch Folklore, noch alles, was Mephisto an musikalisch-theatralischem Spektakel aufbietet.

Dieses Spektakel rücken Donald Runnicles und Christian Spuck ins Zentrum ihrer Auseinandersetzung. Mit Christian Spuck konnte einer der wichtigsten Choreographen der jüngeren Generation gewonnen werden, der in den letzten Jahren als Haus-Choreograph das Stuttgarter Ballett prägte und seit 2012 Direktor des Balletts an der Oper Zürich ist. Christian Spuck arbeitet mehr und mehr auch spartenübergreifend in Oper und Tanz.

Für die Stuttgarter Compagnie choreographierte er 15 Uraufführungen. Zahlreiche Arbeiten entstanden für renommierte Ballettcompagnien in Europa und den USA, darunter das Aalto Ballett Theater Essen, das Aterballetto, das New York City Ballet, das Ballett der Staatsoper Berlin, das Königliche Ballett Flandern, das Nationalballett Oslo. Am Theater Heide l-berg inszenierte er 2005 erstmals eine Oper: BERENICE von Johannes Maria Staud. 2009 führte Christian Spuck Regie bei Glucks ORPHÉE ET EURIDICE, einer Koproduktion der Staatsoper Stuttgart und des Stuttgarter Balletts, und zeichnete auch für die Choreographie verantwortlich. 2010 inszenierte er FALSTAFF am Staatstheater Wiesbaden. Die Uraufführung von POPPEA//POPPEA für Gauthier Dance am Theaterhaus Stuttgart wurde von der Zeitschrift „Dance Europe“ zu den zehn erfolgreichsten Tanzproduktionen weltweit im Jahr 2010 gewählt sowie mit dem Deutschen Theaterpreis „DER FAUST 2011“ und dem italienischen „Danza/Danza -Award“ ausgezeichnet. Mit Berlioz’ FAUSTS VERDAMMNIS stellt sich Christian Spuck als Regisseur und Choreograph erstmals in Berlin vor.

Für FAUSTS VERDAMMNIS kehrt Star-Tenor Klaus Florian Vogt erneut an die Deutsche Oper zurück, dieses Mal mit einem Rollendebüt in der Titelpartie. Méphistophélès an seiner Seite ist der Bassbariton Samuel Youn.

 

Musikalische Leitung Donald Runnicles

Inszenierung und Choreographie Christian Spuck

Bühne, Kostüme Emma Ryott

Licht Reinhard Traub, Ulrich Niepel

Dramaturgie Dorothea Hartmann

Marguerite Clémentine Margaine /ElÏna Garanča (Mai, Juni)

Faust Klaus Florian Vogt /Matthew Polenzani (Mai Juni)

Méphistophélès Samuel Youn /Ildebrando D’Arcangelo (Mai, Juni)

Brander Marko Mimica /Tobias Kehrer (Mai, Juni)

 

25. April 2014 Donizetti   Der Liebestrank

Als „Opera buffa“ bezeichnete Gaetano Donizetti selbst seinen 1832 uraufgeführten LIEBESTRANK,doch zu lachen gibt es in dieser komischen Oper nicht eben viel. Nicht anders als der ein gutes Jahrzehnt später entstandene DON PASQUALE ist auch der LIEBESTRANK ein Werk, dessen Heiterkeit von Melancholie durchzogen wird und das in seiner Balance zwischen Komischem und Traurigem, Wunderbarem und Realem eher an Filme Federico Fellinis erinnert.

Dies ist auch der Ansatzpunkt, von dem aus die französisch-britische Regisseurin Irina Brook ihre Version an der Deutschen Oper Berlin entwickelt. Ein Zirkus in der italienischen Provinz ist für sie der Ort, an dem sich der arme Nemorino in scheinbar hoffnungsloser Liebe zur Hochseilartistin Adina verzehrt, die wiederum mit dem fiesen Dorfmafioso Belcore kokettiert. An der Deutschen Oper Berlin war Donizettis Meisterwerk jedoch immer auch ein Stück, in dem sich große Tenöre präsentiert haben:

Luciano Pavarotti und Richard Leech feierten in den achtziger Jahren hier als Nemorino Triumphe. In der neuen Produktion tritt der junge US-Amerikaner Dimitri Pittas in ihre Fußstapfen, während mit der US-Amerikanerin Heidi Stober eine junge Sängerin aus dem Ensemble der Deutschen Oper Berlin zu erleben ist, die gerade zu einer Weltkarriere ansetzt. Am Pult werden die beiden unterstützt von Roberto Rizzi Brignoli.

Dimitri Pittas wurde in New York geboren. Erstmals wurde die Fachwelt auf ihn aufmerksam, als er 2007/08 an der Metropolitan Opera den Macduff in MACBETH unter der Leitung von James Levine sang. Mit derselben Partie debütierte er an der Bayerischen Staatsoper München und der Wiener Staatsoper. Seitdem hat Dimitri Pittas weltweit in den Partien des lyrischen italienischen Tenorfachs gastiert: Zu seinen Paraderollen gehören Rodolfo und Nemorino, die er auch an der Met sang, aber auch Gounods Faust und der Herzog in Verdis RIGOLETTO.

Seit ihrem Debüt an der Deutschen Oper Berlin im Herbst 2008 als Pamina gehört Heidi Stober zu den Lieblingen des Berliner Opernpublikums und hat an der Bismarckstraße unter anderem Rollen wie Mozarts Susanna, Humperdincks Gretel, Bizets Micaȅla und die Prinzessin Ninetta aus Prokofjews LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN verkörpert. Daneben tritt die Sopranistin vor allem an den großen Opernhäusern der USA auf, in Houston, San Francisco und auch an der Met, wo sie in der kommenden Spielzeit die Pamina singen wird.

Roberto Rizzi Brignoli studierte Klavier, Komposition und Dirigieren am Konservatorium Giuseppe Verdi in Mailand. Während seiner Ausbildung zum Operndirigenten erhielt er prägende Impulse von Gianandrea Gavaz-zeni und Riccardo Muti und machte durch sein Dirigat von Donize ttis LUCREZIA BORGIA 1997/98 an der Mailänder Scala erstmals international auf sich aufmerksam. Seither ist er ein gefragter Gastdirigent an großen Opernbühnen wie dem Teatro Real Madrid sowie der Scala und ist seit seinem Debüt 2003 mit Verdis EIN MASKENBALL ein regelmäßiger Gast an der Deutschen Oper Berlin.

Irina Brook wurde als Tochter des Regisseurs Peter Brook und der Schauspielerin Natascha Parry in Paris geboren. Nach Erfolgen als Schauspielerin in Film-und Theaterrollen wechselte sie 1996 ins Regiefach, zunächst im Schauspiel (u. a. bei Ariane Mnouchkines Théâtre du Soleil), dann zunehmend auch für die Opernbühne. Zu Irina Brooks Operninszenierungen gehören DIE ZAUBERFLÖTE für die Niederländische Reiseoper, EUGEN ONEGIN für das Festival von Aix-en-Provence und LA CENERENTOLA für das Pariser Théâtre des Champs-Elysées. Im deutschen Sprachraum inszenierte Irina Brook zuletzt Ibsens „Peer Gynt“ für die Salzburger Festspiele.

 

Musikalische Leitung Roberto Rizzi Brignoli

Inszenierung Irina Brook

Bühne Noȅlle Ginefri

Kostüme Sylvie Martin-Hyszka

Licht Arnaud Jung

Chöre Thomas Richter

Dramaturgie Jörg Königsdorf

Adina Heidi Stober

Nemorino Dimitri Pittas

Belcore Simon Pauly

Dulcamara Nicola Alaimo

Giannetta Alexandra Hutton

22. Mai 2014 Britten :  Billy Budd

Die dramatischen Ereignisse auf dem Kriegsschiff „Indomitable“ stehen im Mittelpunkt der zweiten „maritimen“ Oper von Benjamin Britten. Wie bei PETER GRIMES ist auch hier kein Platz für Seefahrer-Romantik oder Meeres-Idylle. Das Leben auf See ist rau, die Regeln der Männergesellschaft unbarmherzig. Die ständige Bedrohung durch Naturgewalten und kriegerische Auseinandersetzungen erzeugt seelische Verhärtungen und lässt Gefühle wie Zuneigung und Liebe nur in pervertierter Form zu. Obwohl Captain Vere seine Zuneigung zu dem jungen Bootsmann Billy Budd nicht verhehlen kann, hilft er ihm nicht, als dieser wegen Meuterei zum Tod durch den Strang verurteilt wird, nachdem er im Affekt den sadistischen Waffenmeister Claggart erschlagen hat.

Britten komponierte das Werk 1950/51 als Auftragswerk für das Royal Opera House Covent Garden; am 1. Dezember 1951 wurde es dort uraufgeführt.

Die Koproduktion mit der English National Opera und dem Bolschoi Theater, die am 18. Juni 2012 in der Regie von David Alden und im Bühnenbild von Paul Steinberg in London Premiere hatte, kommt im Mai 2014 auf die Bühne der Deutschen Oper Berlin. Am Pult steht Generalmusikdirektor Donald Runnicles. Damit widmet sich das gleiche Team, das im Januar 2013 mit PETER GRIMES hier große Erfolge feierte, zum zweiten Mal einer bildmächtigen und musikalisch hochkomplexen Oper von Benjamin Britten.

John Chest gibt sein Debüt in der Titelpartie an der Deutschen Oper Berlin und wird zugleich festes Ensemblemitglied. Als Mitglied des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper hat er bereits viel Bühnenerfahrung gesammelt, begeisterte als Masetto (DON GIOVANNI), Guglielmo (COSÌ FAN TUTTE) oder Graf Almaviva (LE NOZZE DI FIGARO) und ist auch als Liedinterpret sehr gefragt. Mit der anrührenden „Abschiedsarie“ des Billy aus Brittens BILLY BUDD gewann der junge amerikanische Bariton John Chest auf der MS Europa 2010 den international renommierten „Stella Maris“ Sein Gegenspieler in der Oper, John Claggart, wird von Gidon Saks verkörpert. Der in Israel geborene, in Südafrika aufgewachsene Bariton verfügt über ein umfangreiches Rollen-Repertoire, in dem die klassischen Schurken wie Kaspar (DER FREISCHÜTZ), Herzog Blaubart oder Baron Scarpia (TOSCA) den Schwerpunkt bilden. Aber auch die häufig gebrochenen Charaktere in den Opern Brittens, die sich einem eindeutigen „gut/böse“-Schema entziehen, interessieren ihn sehr.

Brittens BILLY BUDD ist, wie auch PETER GRIMES, eine große Ensemble-Oper, in der der Chor eine zentrale Rolle spielt (hier ausschließlich die Herren). Daneben gibt es eine Vielzahl an Figuren, die einen unverwechselbaren Charakter haben und auch musikalisch individuell geprägt sind. Alle werden aus dem Ensemble der Deutschen Oper Berlin besetzt : Burkhard Ulrich etwa, der Edward Fairfax Vere verkörpert, den grüblerischen, moralisch zerrissenen Kapitän, gehört seit 2001 zum Ensemble und hat hier Partien von Donizetti und Mozart bis zu Verdi, Puccini, Wagner und Strauss gesungen. Mit Markus Brück (Mr. Redburn), Albert Pesendorfer (Mr. Flint) und Tobias Kehrer (Leutnant Ratcliff) kommen weitere Sängerdarsteller dazu, die teils schon bei PETER GRIMES beeindruckt haben. Lenus Carlson, langjähriges ehemaliges Mitglied, übernimmt den Part des zynischen Seemanns Dansker, der einen Narren am jungen Billy gefressen hat, ihn dennoch nicht beschützen kann. Als Billy Budd hat Carlson schon an der Seite von Peter Pears, dem Lebensgefährten Brittens und ersten Darsteller des Kapitän Vere, auf der Bühne gestanden.

 

Musikalische Leitung Donald Runnicles

Inszenierung David Alden

Bühne Paul Steinberg

Kostüme Constance Hoffman

Licht Adam Silverman

Chöre William Spaulding

Choreographie Maxine Braham

Dramaturgie Jörg Königsdorf

Edward Fairfax Vere Burkhard Ulrich

Billy Bud John Chest

John Claggart Gidon Saks

Mr. Redburn Markus Brück

Mr. Flint Albert Pesendorfer

Leutnant Ratcliffe Tobias Kehrer

Red Whiskers Clemens Bieber

Donald Simon Pauly

Dansker Lenus Carlson

Der Neuling Alvaro Zambrano

Squeak Thomas Blondelle

Mr. Bosun Marko Mimica

18. September 2013    Hoffmann

 Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind verwischt in den musikalischen Erzählungen des Dichters Hoffmann. Drei Frauenfiguren entsteigen seiner Imagination, allesamt schillernde Facetten einer einzigen Geliebten. Die eigene Identität ist ebenso brüchig wie die Konturen der ihn umgebenden Welt. Mit den Phantasmagorien werden die verborgenen Ängste und Sehnsüchte des Dichters Hoffmann freigelegt.

Der in Amsterdam lebende Regisseur, Performer und Zauberer Jakop Ahlbom und die Komponistin Anne Champert erarbeiten mit Musikern und Tänzern sowie einer Sängerin und zehn Männerstimmen eine eigene Fassung von E.T.A. Hoffmanns Traum-und Albtraumwelten. Sie fokussieren dabei auf die zentralen Motive von Hoffmanns literarischen Erzählungen sowie Offenbachs Musik und kombinieren beides mit künstlerischen Mitteln des 21. Jahrhunderts.

Als ein Vorbild nennt der in Amsterdam lebende Regisseur, Performer und Zauberer Jakop Ahlbom den Filmregisseur David Lynch. Dessen Einfluss ist in vielen Arbeiten des schwedischen Theatermachers spürbar: Ahlbom schafft magische und surrealistisch-albtraumhafte Theaterwelten, die seit 2000 in den Niederlanden begeistert aufgenommen werden und 2010 beim Young Director’s Project der Salzburger Festspiele für Aufsehen sorgten. In den letzten Jahren entstanden unter seiner Leitung u. a. NUR ZUR ERINNERUNG (2002), LOST (2004), VIELFALT (2006), DE ARCHITECT (2008) und INNENSCHAU (2010), LEBENSRAUM (2012). Ahlbom erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen u. a. beim Niederländischen Theaterfestival Amsterdam und den Salzburger Festspielen.

Anne Champert wurde in Nancy geboren und studierte Literatur-und Musikwissenschaft an der Sorbonne sowie Komposition, elektronische Musik und Klavierbegleitung am Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris. Ihre Ausbildung vervollständigte sie an der Guildhall School of Music and Drama in London mit einem Aufbaustudium in Liedbegleitung und Korrepetition. Von 1990 bis 1992 wirkte sie als Composer in Residence am Pariser IRCAM im Team von Tristan Murail, in dieser Zeit entstanden zahlreiche Schauspielmusiken, Kammermusik und elektronische Musik, Uraufführungen u. a. im Théâtre de la Bastille, Théâtre de Vincennes und Maison de Radio France. Es folgten Engagements an der Scottish Opera, Glasgow, und der Opéra National de Paris und am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken als Repetitorin und Studienleiterin. Seit 2005 ist sie Studienleiterin an der Deutschen Oper Berlin. Auftragswerke in jüngster Zeit entstanden u. a. für die Sing-Akademie Berlin (Neue Lieder, 2008), für die Deutsche Oper Berlin (Sound Design um Sciarrinos INFINITO NERO, 2009) und SACRA (2010, Festspiele St. Gallen).

 

Inszenierung Jakop Ahlbom

Musikalische Bearbeitung/

Neukomposition Anne Champert

Bühne Oliver Helf

Dramaturgie Dorothea Hartmann, Anne Oppermann

Mit 11 Sängern (Ensemblemitglieder der Deutschen Oper Berlin) ,

5 Tänzern/Performern (Ensemble Jakop Ahlbom) und kleinem Kammerensemble (4 Musiker)

 

25.,26.,27 10. 2013    Mozart : 3x COSI FAN TUTTE

Bei der Analyse aktueller Operninszenierungen dominiert oft ein Interpreta-tionsansatz, der das Werk auf eine bestimmte Lesart hin deutet. Die Handlung wird beispielsweise in ein greifbares, gegenwärtiges Milieu verlegt, und die Gestaltung des Umgangs der Charaktere miteinander strebt einen psychologischen, „filmischen“ Realismus an. Solche Ansätze wirkten bis Anfang der 70er Jahre befreiend, schockierten und bewegten, sind aber inzwischen längst zur Gewohnheit geworden und haben sich zu einem Stil verfestigt, dessen Problematik darin zu liegen scheint, dass sich dabei die Interpretation wie ein Filter vor das Werk schiebt und dem Zuschauer eine einheitliche Deutung des Werkes vorgibt. Parameter wie eine Fremdheit des Werkes, das Historische des Materials, das Artifizielle der Musik und des Operngesanges werden in den Hintergrund gerückt. Das wirkt zunehmend unbefriedigend, und es stellt sich immer drängender die Frage: Ist eine andere künstlerische Herangehensweise jenseits der etablierten Deutungs-Muster vorstellbar?

Ein Forschungsprojekt am Institut für Musiktheater der Kunst-Universität Graz unter Leitung der Regisseurin Barbara Beyer untersucht die Möglichkeiten innovativer Inszenierungsstrategien für das klassische Opernrepertoire. Das Projekt, das auf zwei Jahre veranschlagt ist und vom FWF (Fonds für Wissenschaftliche Forschung) finanziert wird, sucht Antworten auf Fragen wie: Wie lassen sich die Werke des Opernrepertoires so inszenieren, dass sie uns jenseits des „Regietheaters“ und ohne fragwürdigen Aktualitätszwang einen neuen Blick auf die Werke gewähren? Wie kann Musiktheater für ein Publikum des 21. Jahrhunderts aussehen? Könnte das Performative eine weiterführende Dimension sein? Eine Dimension, die Unkontrolliertes zulässt, Erwartungen enttäuscht, auf Überraschung setzt und auf Irritation?

Am Beispiel von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper COSÌ FAN TUTTE werden drei verschiedene Sichtweisen auf das Werk gezeigt, von drei jungen Regieteams mit drei verschiedenen Ensembles inszeniert und an drei Abenden hintereinander in der Tischlerei präsentiert. Dabei kooperieren erfahrene Künstlerinnen und Künstler mit Studierenden und Absolventen aus unterschiedlichen europäischen Kunstausbildungsstätten.

 Regieteams:

Michael von zur Mühlen / Christoph Ernst

Margo Zalϊte / Martin Miotk

Clara Hinterberger / Anika Söhnholz

Gastspiel der Kunstuniversität Graz

30. November 2013    Kampe: Kannst du pfeifen, Johanna

Nach Lin Wangs OH, WIE SCHÖN IST PANAMA wird die Serie der Uraufführungen von Kinderopern in der Spielzeit 2013/14 mit einer weiteren Auftragskomposition fortgesetzt. Gordon Kampe schreibt KANNST DU PFEIFEN, JOHANNA, ein Werk über die poetische und kraftvolle Begegnung zweier Generationen.

Ulf hat einen Großvater. Berra hat keinen. Aber er wünscht sich genau so einen Großvater wie den von Ulf: einen, der Schweinshaxen mag, Kaffee trinkt und mit dem Enkel Torte isst. Da hat Ulf eine Idee. Sie gehen gemeinsam ins Altersheim und suchen einen Großvater für Berra. Dort treffen sie auf Nils. Nils ist alt, einsam und hat keinen Enkel, also der perfekte Großvater für Berra. Nils mag zwar keine Schweinshaxen, weiß aber dafür, wie man einen Drachen baut. Und er kann pfeifen. Etwas, das Berra so gern auch könnte …

Unkonventionell, heiter und ohne Sentimentalität erzählt Ulf Starks mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnetes Kinderbuch „Kannst du pfeifen, Johanna“ von den letzten Wochen eines einsamen alten Mannes, der unerwartet noch einmal Kind sein darf.

Gordon Kampe wurde 1976 in Herne geboren. Nach einer Ausbildung zum Elektriker folgte ein Kompositionsstudium bei Hans-Joachim Hespos, Adriana Hölszky und Nicolaus A. Huber. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Folkwangpreis, den Stuttgarter Kompositionspreis (2007 und 2011) sowie Stipendien u. a. von der Berliner Akademie der Künste, für Cité des Arts Paris, die Künstlerhöfe Schreyahn und Schöppingen sowie für das Experimentalstudio des SWR. Kampe promovierte 2008 mit einer Arbeit über Märchenopern im 20. Jahrhundert. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in den Bereichen Musiktheater, Vokal-und Ensemblemusik. Seine Werke wurden u. a. durch das Ensemble Modern, Ensemble musikFabrik, RSO-Stuttgart, hr-Sinfonieorchester, neue vocalsolisten und SWR-Vokalensemble aufgeführt, seine Opern u. a. am Staatstheater Stuttgart und am Staatstheater Oldenburg.

Die holländische Regisseurin Annechien Koerselman studierte Regie an der Toneelacademie Maastricht. Seitdem inszenierte sie u. a. „ATALANTA“ von Peer Wittenbols (Oostpool 2004), „BLAUBART“ von Dea Loher (Atelier d./de Frequentie, 2004), das von ihr selbst geschriebene Stück „ DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“ (Het Vervolg, 2006) und „AMANDA“ von Walter van den Broeck (Zeelandia, 2008). Koerselman kreierte u. a. die Musiktheateraufführungen DER WOLF UND DIE SIEBEN GEISSLEIN (Sonnevanck, 2009) und DIE MUSIKFABRIK, für die sie mit dem „Junge Ohren-Preis 2012“ ausgezeichnet wurde. Außerdem führte sie Regie bei der Oper L’ISOLA DISABITATA von Haydn (Die Nationale Reiseoper En-sched) und für die Musiktheateraufführung SCHÖNE ANNA von Marjolein Bierens (Zeelandia). Jüngst inszenierte sie die Kammeroper BLACK PERFUME (Diamantfabriek).

 

Inszenierung Annechien Koerselman

Dramaturgie Anne Oppermann

17. März 2014   Gilgamesh must die!

Nach DER RING: NEXT GENERATION realisiert die Deutsche Oper Berlin auch in der Saison 2013/14 wieder ein szenisches Projekt mit Berliner Jugendlichen. Und auch dieses Mal ist der Ausgangspunkt einer der großen Mythen der Menschheit.

Das assyrische Gilgamesch-Epos, aufgezeichnet vor über viertausend Jahren, behandelt Kernthemen menschlicher Existenz. Dem jungen Regisseur Daniel Pfluger und der Schweizer Popband The bianca Story, die dieses Auftragswerk für die Tischlerei erarbeiten, geht es deshalb nicht primär um eine Nacherzählung der Erlebnisse des Prinzen Gilgamesh, sondern um eine Auseinandersetzung mit zentralen Fragen des Epos ‘ wie Ego-Kult, die Angst vor dem Tod und die Suche nach Unsterblichkeit.

Ähnlich wie die Produktion M & THE ACID MONKS nach E.T.A. Hoffmanns „Die Elixiere des Teufels“, mit der Pfluger und The bianca Story Anfang März 2013 in der Tischlerei ein gefeiertes Gastspiel gaben, ist auch GILGAMESH MUST DIE! ein Abend, der die Elemente der Genres Popkonzert, Musik-und Sprechtheater, Performance, Installation und Tanz miteinander verschmilzt.

Bei GILGAMESH MUST DIE! arbeiten die Musiker der Band, Opernsänger und Schauspieler mit ca. fünfzehn Berliner Kindern und Jugendlichen zusammen, die bei Casting-Terminen Ende August 2013 ausgewählt werden.

Daniel Pfluger, 1980 geboren, wuchs in Mannheim auf. Seit einigen Jahren ist er als Regisseur sowohl im Sprech- wie im Musiktheater aktiv und hat unter anderem Vivaldis BAJAZET für das Rokokotheater Schwetzingen, Tom Waits‘ und Bob Wilsons ALICE für das Badische Staatstheater Karlsruhe und Wedekinds FRÜHLINGS ERWACHEN für das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin inszeniert. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Produktionen für Kinder und Jugendliche.

An der Deutschen Oper Berlin inszenierte er in der Spielzeit 2012/13 die Kinderoper Oh, WIE SCHÖN IST PANAMA.

Die Schweizer Popband „The bianca Story“ versteht sich als kreatives Kollektiv, das in seinen Auftritten Konzerte mit Multimedia Saison 13/14 -und Performance-Elementen verbindet. Musikalische Einflussgrößen der Formation, die zusehends auch in Deutschland bekannt wird, sind u. a. die B-52s, Human League und Peter Fox.

 

Inszenierung Daniel Pfluger

Bühne Flurin Borg Madsen

Kostüme Janine Werthmann

Dramaturgie Jörg Königsdorf

 Frühjahr 2014      Das grosse Buh – Protesten auf der Spur: ein Sound-Walk

 Man geht auf die Straße! Das Publikum erwandert mit Kopfhörern eine vorgegebene Route. Virtuelle Stimmen, Musik und Sounds aus den Audio-Geräten vermischen sich mit realen Geräuschen und visuellen Eindrücken der Umgebung und kreieren ein neues Theater zwischen Wirklichkeit und Fiktion, Historie und Gegenwart.

Auf der Suche nach unterschiedlichen Formen des Protests, die die Deutsche Oper Berlin prägten und bis heute bewegen, erobert der Sound -Walk nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich das Gebäude und seine Umgebung. Die Deutsche Oper Berlin war seit ihrer Gründung immer wieder mit politischen Statements und Protesten verknüpft. Der Sound-Walk geht diesen historischen Protestsituationen nach. Gleichzeitig fragt er nach einer heutigen Protestkultur. Gibt es sie noch oder beschränkt sie sich auf den Bereich der Kunst, wenn drinnen im Opernhaus mit einem „Buh“ der Opernbesucher seinen Protest kundtut?

Dorothea Schroeder (Regie) wurde im nordrhein-westfälischen Mettmann geboren. Nach mehreren Assistenzen und längerer humanitärer Arbeit in einem kroatischen Flüchtlingslager begann sie 1997 das Regiestudium (Sprech-und Musiktheater) an der Bayerischen Theaterakademie, das sie im Jahr 2001 mit dem Diplom abschloss. Seither arbeitet sie als freie Regisseurin im Schauspiel und Musiktheater u. a. in Hannover, Mannheim, München, Linz, Düsseldorf, Heidelberg, Karlsruhe und in Belgrad. Im Frühjahr 2003 absolvierte sie ein Gaststudium am Theaterinstitut GITIS in Moskau. Ihr Stationen-Theaterstück „Das Chasarische Wörterbuch“ am Theater Augsburg wurde mit dem Regiepreis des Festivals „Neue Akzente“ ausgezeichnet. Dorothea Schroeder realisiert außerdem regelmäßig sozio-kulturelle Stadtprojekte.

 

Inszenierung Dorothea Schroeder

Sound Design Studierende des Studiengangs Sound Studies der UdK

Dramaturgie Anne Oppermann

Junge Deutsche Oper

Seit Beginn der Spielzeit 2012/13 bietet die Junge Deutsche Oper eine Vielfalt an Produktionen, Projekten und Aktivitäten für junge und junggebliebene Menschen.

Unser Angebot richtet sich nicht an ein Publikum von morgen, sondern an ein Publikum von heute: In der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin kommen neue Musiktheater-Werke für Kinder und Jugendliche zur Uraufführung –neue Stücke, die sich an den Lebenswelten der heutigen Jugend orientieren und einen Beitrag zum Repertoireaufbau der noch jungen Sparte des Kinder-und Jugendmusiktheaters leisten. In der nächsten Spielzeit wird u. a. die Kinderoper KANNST DU PFEIFEN, JOHANNA von Gordon Kampe unter der Regie von Annechien Koerselman uraufgeführt. Darüber hinaus entwickeln wir neue Formate und spielen mit den Möglichkeiten von Raum und Klang –so z. B. in den Babykonzerten, die sich seit der laufenden Spielzeit großer Beliebtheit beim Publikum erfreuen.

In unterschiedlichsten Produktionen und Projekten laden wir Kinder und Jugendliche ein, sich einzumischen und künstlerische Prozesse aktiv mit-zugestalten –so wie jüngst im Jugendprojekt DER RING: NEXT GENERATION, das am 10. März Premiere auf der großen Bühne feierte. Wir sind gespannt auf die Themen und Fragestellungen der heutigen Jugend. Wir möchten nicht nur senden, sondern auch empfangen, und begreifen unsere im Bereich „Mitmachen!“ zusammengefassten Aktivitäten daher als gemeinsame Entdeckungsreise in die Welt des Musiktheaters. In der kommenden Spielzeit gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich bei uns einzumischen: die Produktion GILGAMESH MUST DIE!, in der Kinder und Jugendliche gemeinsam mit der Band „The bianca Story“ auf der Bühne stehen; den Kinderchor, der nicht nur in Produktionen auf der großen Bühne zu sehen ist, sondern auch in der Tischlerei verschiedene Programme (mit)gestaltet; unseren Kinderclub „Opernmäuse“, der Kindern einen Einblick hinter die Kulissen bietet und sich jetzt schon einer großen Nachfrage erfreut; der eigenständig agierende und doch mit der Jungen Deutschen Oper verbundene Jugendclub für alle 15-bis 30-jährigen Opernfans, der ab der kommenden Spielzeit auch eine aktive Spielgruppe bekommt, die im Feld von Klang und szenischem Spiel lustvoll experimentiert und probiert.

Als Berliner Opernhaus möchten wir auch mit all jenen jungen Menschen ins Gespräch kommen, die nicht von allein den Weg zu uns finden würden. Die Zusammenarbeit mit Schulen aller Schulformen und mit anderen Kultur und Bildungseinrichtungen ist uns daher ein großes Anliegen. Auf Augenhöhe mit Klassen-und FachlehrerInnen, mit Kulturagenten für kreative Schulen und mit unserem Nachbarn, dem Haus der Jugend Charlottenburg, bringen wir verschiedenste Ideen auf den Weg.

In der laufenden Spielzeit 2012/13 werden folgende Workshop-Projekte umgesetzt, in denen Kinder und Jugendliche über mehrere Wochen kreativ und spielerisch zu einem Werk des Spielplans arbeiten und die Ergebnisse anschließend in der Deutschen Oper Berlin präsentieren:

– SCHREIBT AUF UNSERE HAUT –Ein Projekt mit dem 12. Jahrgang des Rheingau-Gymnasiums zu DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN;

– MEIN PANAMA –Ein Projekt mit der 1. Klasse der Katholischen Schule Herz Jesu, der 1. bis 3. Klasse der 1. Gemeinschaftsschule Schöneberg und der 1. und 2. Klasse der Bürgermeister-Herz-Grundschule Kreuzberg zu OH, WIE SCHÖN IST PANAMA;

– HELDEN IM RING –Ein Projekt im Rahmen von TUSCH-Berlin mit der 8. Klasse der 1. Gemeinschaftsschule Charlottenburg zu DER RING: NEXT GENERATION;

– HELDENLEBEN –Ein Ausstellungs-Projekt mit jugendlichen Künstlern zu DER RING: NEXT GENERATION (in Zusammenarbeit mit dem Haus der Jugend Charlottenburg);

– ZWEI GESICHTER –Ein Projekt mit der 8. Klasse der Lina-Morgenstern-Gemeinschaftsschule Kreuzberg zu RIGOLETTO (in Zusammenarbeit mit der Kulturagentin Michaela Schlagenwerth).

 Auch in der Spielzeit 2013/14 möchten wir die Zusammenarbeit mit zahlreichen Bildungseinrichtungen fortsetzen und gemeinsam Workshop-Projekte entwickeln. In der Planung sind u. a. ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Haus der Jugend Charlottenburg und der Staatsoper im Schiller Theater sowie Projekte mit der Friedensburg-Oberschule und der Jugendkunstschule Pankow.

Neben den zahlreichen Partnerprojekten erfreut sich das musiktheaterpä-dagogische Angebot zur Vor-und Nachbereitung eines Vorstellungsbesuches großer Beliebtheit bei Klassen aller Schulstufen und -typen: Vom

1. September 2012 bis zum 15. März 2013 wurden vom Team der Jungen Deutschen Oper 40 spielpraktische Einführungsworkshops, 67 Führungen durch das Opernhaus, 38 sonstige pädagogische Veranstaltungen (Work-shop-Projekte, Opernmäuse-Versammlungen, Probenbesuche, Vor-und Nachgespräche) und drei Workshops für PädagogInnen durchgeführt. Damit wurden insgesamt ca. 3875 Kinder und Jugendliche erreicht.

Kontakt:

Katharina Mohr

Künstlerische Leitung Kinder und Jugend

Tel.: 030 343 84 –534

mohr@deutscheoperberlin.de

www.deutscheoperberlin.

 E-Mail: de/jungedeutscheoper

www.deutscheoperberlin.de/operundschule