Eine „EssTour“ in Hohenlohe
Wir fahren in das Ende. Die Strassen werden schmaler und enger, Täler verstecken sich, an den Berghügeln kleben noch ein paar Häuser. Streuobstwiesen grüßen, Graureiher spazieren gemächlich durch schilfbewachsene Teiche. Hohenlohe pur. Schwaben, aber eigentlich wollen sie Franken sein – politisch und ethnische Philosophie zwischen dem schwäbischen „ha noi“. Vor- und Nachteile abwägen, der Sache auf den Grund gehen. Der schwäbische Dichter Thaddäus Troll bezeichnet es als “ konzilianten Puffer zwischen Frage und Antwort. Ortsnamen voller versteckter Heimlichkeiten: Assamstadt, Herrenbach, Apfelbach, Wachbach, Herbsthausen. Eigentlich geht es ja nicht weiter und doch geht es weiter. Ailringen, unser Ziel, das wahrscheinlich kleinste Feinschmecker Paradies am Rande der bewohnten Welt.
Hier im „Alten Amtshaus“ residiert Olaf Pruckner. Ein Rendezvous der Sinne , nennt der Küchenchef seine Michelin besternte Oase. Hohenlohe, eine Gegend, wo die Seele baumelt und der Ruf einer aufgeregten Zeit kaum in die Einsamkeit dringt. Zwar Provinz-aber ganz bestimmt, hochgradig reizvoll. Das alte Amtshaus hatte Glück: verfallen und verrottet, sieht es Reinhold Würth, Unternehmer und Chef eines Handelskonzerns mit über 300 Gesellschaften in 80 Ländern. Würth, Unternehmer und Mäzen, mit großem Herzen für Kunst und Kultur. Verfall gibt es nicht – also fließt das Geld und das Amtshausfröschlein wird wachgeküsst. Moderne Innenarchitektur, moderne Kunst im alten authentischen Gewand. Pruckner erinert sich: „Ich kenn es vom erzählen her und an Hand von Fotos, dass das hier schon fast eine Ruine war – für mich war das natürlich ein Glücksfall, das es jemanden gegeben hat, wie die Familie Würth, die eben halt gesehen haben, wir können das retten, wir möchten hier etwas erhalten und das ist für uns tagtäglich ein Ansporn.“ Und so entstehen Küchen Kompositionen aus Kalbsbäckle, Tomatengsälz, Erdbeer-Currychutney und frittierten Kartoffelschalen. Küchen Kunst beginnt im Kopf und in der Natur, bei den Produkten und der Region die nicht vergessen wird, die Spätzle, Büble oder Knöpfle.
Pruckners Bekenntnis:„.das eine oder andere mal im Jahr machen wir selbstverständlich Spätzle, der Rostbraten darf in keinem Restaurant und Gasthaus fehlen aber ansonsten machen wir dann auch spezielle Sachen, das man sagt: o.k. wir machen Entenleberspätzle oder wir machen zur Bärlauchzeit Bärlauchspätzle, wir machen Rote Bete Knöpfle, also da sind den Phantasien freie Hand.“ Pruckner und seine scheinbaren Einfachheiten auf höchstem Niveau. Regionale Produkte spielen die Hauptrolle. Hier beginnt die Rolle von Horst Siller. Horst Siller, einer der berühmtesten Krebszüchter in der Republik. Unser Treffen, wie im Krimi: Autobahnausfahrt in der Nähe von Würzburg, steriles Industrieland, brütende Hitze, das Verfehlen, dann das Finden. Jetzt im Konvoi durch eine Landschaft, die die Einsamkeit erfindet. Die Heimat seiner Krebse wirkt wie ein verlassenes Cowboycamp. Rostende Fässer, verfallene Hütte, ein Tank. Hier also tummeln sie sich, die Feinschmecker Kostbarkeiten. Für Siller ein Produkt der Bequemlichkeit.
„Ich hab Teiche gehabt, Fischteiche, Forellenteiche und da musste ich praktisch jeden Tag füttern, hatte aber dann keine Zeit mehr dazu, beziehungsweise die Forellenpreise sind zusammengebrochen durch Dänemark und Polen und wo die alle herkommen und da hat ein Kollege gesagt, mensch, probier es doch mit Krebse, das ist doch ganz einfach, die fressen die Blätter, wo runterfallen und brauchst du nicht zu füttern, die vermehren sich auch automatisch und da hab ich das mit den Krebsen angefangen und die haben sich sehr gut vermehrt, da hab ich sie dann zuerst an die Aquarienhändler verkauft, dann wurden die Krebse immer größer und dann habe ich sie hier in der Nähe an Restaurants verkauft und das hatte sich herumgesprochen, dass das eine sehr gute Qualität aus dem Quellwasser ist und da bin ich also dazu gekommen.“ Flusskrebse sind schon merkwürdige Wesen. Sie schlafen zum Beispiel auf der Seite und das nicht nur kurz. Forscher berichten, dass sich ein amerikanischer Sumpfkrebs bis zu 11 Stunden am Tag auf die Schere legt. Außerdem sind Krebse nicht nur Allesfresser, sondern auch Feinschmecker, wie Siller berichtet:
„Die Krebse fressen hauptsächlich Blätter und kleine Fische, Würmer, was so in der Natur vorkommt und kleine Frösche natürlich auch, das dürfen die Naturschützer nicht hören, aber es ist leider so,der Krebs ist ein Allesfresser, frisst von Kartoffeln bis Futterrüben, Mohrrüben, Getreide, alles. Dazu Fleisch, allerdings kein Schweinefleisch , nur gutes Rindfleisch und es ist auch so, der Krebs ist ein Feinschmecker, wenn man ihm jetzt zum Beispiel eine Woche Kartoffeln gibt und die nächste Woche möchte man auch wieder Kartoffeln geben, dann frisst er sie nicht mehr, er braucht also auch Abwechslung und Algen frisst er auch, deshalb ist er auch viel interessant jetzt als Algenvernichter, besser jetzt als die chemischen Sachen, wo de Leute da in ihren Gartenteich reintun, der Krebs gehört also in jedes Gewässer und auch in den Gartenteich, weil er eben die Algen und die übriggebliebenen Blätter und das ganze Zeug, was so rumliegt, auffrisst“. Ein Hoch dem Staubsauger der Natur . Siller selbst ist Krebs, also vom Mond beherrscht, warmherzig , launisch, geheimnisvoll, phantasievoll und ein guter Beobachter. Ähnliches bei Michael Keck aus Niedernhall- in schönster Steillage sein Weingut, mit herrlichem Blick über die Kocher und das Tal. Ein Weingut mittlerer Größe, langer Tradition und Namen voller Merkwürdigkeiten.
„Ja, Epona , das ist praktisch so ein Synonymname, ein Wein, den wir benannt haben nach der keltischen Fruchtbarkeits- oder Pferdegöttin. Ursache und Auslöser unserer keltischen Gottheitsnamen war ein Fund, ein keltisches Lappenbeil, das wir in unseren Rebbergen gefunden haben und wiederum uns veranlasst hat, uns mit unseren Kelten, die hier ja gesiedelt haben, auseinander zusetzen. Wir haben hier Cuveeweine, das heißt Eigenkompositionen und die kann man dann durchaus einfach mit solchen Namen benennen und die Namen lassen sich auch sehr gut vermarkten“. Die Exoten machen Appetit, die Geschichte durstig. Württemberg und der große Weindurchbruch. Früher manchmal Riesling und der Liter Trollinger , heute eine Vielfalt und eine Entwicklung das selbst ausländische Winzer ins Schwärmen geraten. Der Württemberger trinkt einen Großteil seiner Produktion selbst. Mit fast 40 Litern Wein pro Kopf ist der Durchschnittsverbrauch im Ländle doppelt so hoch wie der deutsche Schnitt. 210 Einzellagen zwischen Bodensee und Taubergrund. Vielfalt, manchmal ein Problem,Vermarktung ein unbedingtes Muss. Zurück zur Tradition, zur Wurzel, auch beim Fleisch. Lamm ist zunehmend auch wieder ein Artikel, nicht nur Lamm sondern auch Ziege, Zickleinbraten, Hohenlohe ist natürlich auch wegen der Flusstäler prädestiniert für Lamm. Sobald eben die Hänge so richtig steil werden, ist es nichts mehr für die Rinder, sondern da ist es was für die Lämmer und für die Ziegen, für die Schafhaltung. Rudolf Bühler spricht über sein augenblickliches Lieblingsprojekt:“Wir sind dabei jetzt auch ein Lammprojekt aufzulegen für die Region. Wir meinen, das Lamm hat auch einen wichtigen Platz verdient in unserer Landschaft, unseren Bauernhöfen, eben für die Landschaftspflege – und es ist auch , es trägt bei zur Esskultur, es gibt hervorragende Lammgerichte, aber man muss es auch kochen können und wir haben ja auch eine hohe Dichte an Sternenköchen inzwischen in der Region und wir gelten ja als Genießerregion.“ Rudolf Bühler, Landwirt aus Wolpertshausen, verkörpert strahlende Zuversicht. Der Schlapphut als Markenzeichen fehlt zwar heute, aber die Zufriedenheit über seinen SonnenHof, über sein Wirken, über seine Rettung des Schwäbisch-Hallischen Landschweins, lassen den berühmten Hohenloher Blick aufleuchten. Die „Mohrenköpfle“ als Markenzeichen, vorne schwarz , hinten schwarz, die Mitte leichtes rosa-weiß, gutmütig, schmachtende Blicke, eigentlich nur zum Knuddeln. Bühler gerät ins Schwärmen: „die sind richtig gemütlich, man sieht, wie sie sich rekeln, das kommt auch daher, weil diese Schweine aus China kommen und das ist eben eine besondere Art, sehr ruhig und dort werden sie auch gehalten in Haushalten, also jeder Haushalt hat ja ein Schwein, wo dann die Küchenreste verwertet werden. Diese Gemütlichkeit, die haben sie mit hierher gebracht und das schätzen wir auch an den Tieren, weil – sie lassen sich gut händeln, also man kann sie leicht auf die Weide raustreiben, sie haben einen Herdentrieb und auch auf der Weide haben sie ein sehr intelligentes Verhalten , wenn die Sonne so grell scheint, dann legen sie sich in die Hütten rein und abends in der Dämmerung ziehen sie so über die Weiden und sind richtig zufrieden und ruhig. Es sind sehr ästhetische Tiere- sie haben also ein schwarzes Hinterteil und einen schwarzen Kopf, in der Mitte sind sie weiß am Körper und großes Schlappohr und wenn man sie so gucken sieht, dann haben sie so Falten, Runzeln auf der Stirn, so einen weisen Blick, nachdenklichen Blick – also ich mag diese Tiere.“ Schwein gehabt, dank Bühler – die Mohrenköpfe – noch vor 20 Jahren galten sie als ausgestorben. Dann kam der Diplom Landwirt nach Jahren im Entwicklungsdienst zurück ins Hohenlohische, sah fassungslos kranke ,blasse, nervöse Tiere, alles EG konform, und schlug Alarm. Die letzten Sauen wurden gefunden, zwei reinrassige Eber und perfekt war die Erfolgsgeschichte.Und die nächsten folgten: das Boef de Hohenlohe, das Lamm und immer wieder Ideen, Gedanken – auch über Ethik und Moral. „Wir halten die Tiere, die Schweine als Bauer, auch unsere Projekte haben ja mit Fleischerzeugung zu tun, ist es ethisch vertretbar, solche Projekte zu machen und den Fleischkonsum sozusagen zu unterstützen und zu fördern. Es ist eine Frage, die denke ich, nur so beantwortet werden kann, dass wir unsere Tiere eben artgerecht halten , das wir Verantwortung übernehmen für die Tiere,, das es ihnen gut geht, das sie nicht leiden, das wir sie gesund halten , hegen und pflegen und eben dann auch dafür sorgen, dass sie verantwortungsbewusst, also tierschutzgerecht geschlachtet werden. Gutes Fleisch hat auch eine Aura, das schmecken sie und sie spüren das, ob es ein Fleisch ist, das aus einer artgerechten Haltung kommt, das handwerklich gepflegt wurde, das eben auch einen ethischen Anspruch hat.“ Klar und direkt, ist sie hier, die Landschaft in Hohenlohe, die der Dichter Hermann Lenz zur Literatur erhoben hat: ein Tal mit Wäldern, deren Ausläufer Wiesen umgeben, schreibt er in „Zwei Frauen“, manche Wolken, erscheinen hell, andere dunkel mit wechselnden Schatten dazwischen …..diese Tiefe ,die sich oben geöffnet hat, habe ich noch nie gesehen.