Berliner Festspiele 54. Theatertreffen: Die Auswahl

Die Berliner Festspiele veranstalten vom 5. bis 21. Mai 2017 das 54. Theatertreffen. Die unabhängige Kritiker*innen-Jury präsentierte am 7. Februar, im Rahmen einer Pressekonferenz ihre Auswahl für das Theatertreffen 2017.

 

Die Kritiker*innen Margarete Affenzeller, Eva Behrendt, Till Briegleb, Dorothea Marcus, Christian Rakow, Stephan Reuter und Shirin Sojitrawalla sichteten und diskutierten im vergangenen  Jahr insgesamt  377  Inszenierungen aus Deutschland,  Österreich und   der

Schweiz. In der gestrigen, finalen Jurysitzung trafen sie ihre Auswahl der „10 bemerkenswertesten Inszenierungen“ der Saison, die zum 54. Theatertreffen eingeladen werden:

 

  • „89/90“ nach dem Roman von Peter Richter                                                                                                            Regie Claudia Schauspiel Leipzig

  • „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm                                                                                                        Regie Johan    Thalia Theater, Hamburg

  • „Die Borderline Prozession“ Ein Loop um das, was uns trennt von Kay Voges, Dirk Baumann und Alexander Kerlin                                                                                                                                                             Regie Kay Voges. Schauspiel Dortmund

  • „Die Räuber“ von Friedrich Schiller

Regie Ulrich Rasche. Residenztheater, München

  • „Die Vernichtung“ von Ersan Mondtag und Olga Bach                                                                                 Regie Ersan Konzert Theater Bern

  • „Drei Schwestern“ von Simon Stone nach Anton Tschechow                                                                     Regie Simon Theater Basel

  • „Five Easy Pieces“ von Milo Rau

Regie Milo Rau. Eine Produktion des International Institute of Political Murder und CAMPO Gent. In Koproduktion mit Sophiensaele, Berlin / Kunstenfestivaldesarts Brussels 2016 / Münchner Kammerspiele / La Bâtie – Festival de Genève / Kaserne Basel / Gessnerallee Zürich / Singapore International Festival of Arts (SIFA) / SICK! Festival UK / Le phénix scène nationale Valenciennes pôle européen de création
  • „Pfusch“ von Herbert Fritsch

Regie Herbert Fritsch. Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
  • „Real Magic“ von Forced Entertainment

Konzept und Regie Forced Entertainment. Künstlerische Leitung Tim Etchells. In Koproduktion mit PACT Zollverein, Essen / HAU Hebbel am Ufer, Berlin / Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt / Tanzquartier Wien /ACCA Attenborough Centre for the Creative Arts, University of Sussex / Spalding Gray Consortium – On the Boards, Seattle / PS122 NYC / Walker Art Center, Minneapolis / Warhol Museum,  Pittsburgh

  • „Traurige Zauberer“ von Thom Luz Regie Thom    Staatstheater Mainz                                                   Regie Thom    Staatstheater Mainz

Yvonne Büdenhölzer, Leiterin des Theatertreffens, zur diesjährigen Auswahl:

„Die nachrückende Theatergeneration setzt in der Auswahl des diesjährigen Theatertreffens starke Zeichen, die nicht immer aus den Metropolen des deutschsprachigen Theaterraums stammen. Einige der eingeladenen Künstler*innen sind mit ihren Arbeiten bereits zum zweiten Mal beim Theatertreffen vertreten. An ihrer Seite finden sich Produktionen, die durch internationale Kooperationen entstanden sind und in Deutschland ihr Produktionszentrum hatten. Aber auch das deutschsprachige Stadttheater zeigt, wie modern und ästhetisch vielfältig es produziert. Von Romanadaptionen bis großen Dramen, originellen Bild-Welten und musikalischen Abenteuern verleibt es sich alles ein, was unsere Gegenwart herausfordert, beschreibt und reflektiert. Aus den benachbarten Künsten aufgenommene Impulse lassen neue bildmächtige Narrationen entstehen. Das Theater zeigt sich dadurch vielschichtiger, offener und durchlässiger denn je.“

Die 54. Festivalausgabe wird am Freitag, 5. Mai im Haus der Berliner Festspiele eröffnet. Bis Sonntag, 21. Mai werden im Festspielhaus sowie an weiteren Spielorten Berlins die Aufführungen der 10 eingeladenen Inszenierungen zu erleben sein. Komplettiert wird das

Programm durch die Aufführungen und Veranstaltungen des Stückemarkts sowie durch Diskussionen und Workshops. Eine gemeinsame Redaktion aus Autor*innen und Journalist*innen berichtet im Theatertreffen-Blog über das   Festivalgeschehen.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Theatertreffen und dem Goethe-Institut wird ausgebaut und knüpft dabei an die jahrzehntelange Kooperation im Internationalen Forum an, das Künstler*innen aus der ganzen Welt während des Festivals zum Austausch von künstlerischer Praxis und Erfahrungen zusammenführt. Das Theatertreffen erarbeitet 2017 gemeinsam mit dem Goethe-Institut ein neues Format mit dem Ziel, internationale Partner mit der deutschsprachigen Theater- und Kulturlandschaft zu verknüpfen und Produktionsimpulse zu setzen. Es entsteht eine Plattform für künstlerische Arbeiten, die im Rahmen des neu aufgelegten Internationalen Koproduktionsfonds des Goethe-Instituts entwickelt werden.

Beim Theatertreffen werden drei Preise verliehen:

der 3sat-Preis, der Alfred-Kerr-Darstellerpreis und der Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung, der 2017 an Herbert Fritsch verliehen wird.

Die Zusammenarbeit mit dem Medienpartner 3sat wird fortgesetzt. Unter dem Titel „Starke Stücke“ zeigt 3sat jeweils drei der zum Theatertreffen Berlin eingeladenen Inszenierungen  zur besten Sendezeit. Die Fernsehaufzeichnungen werden auch als Public Viewing auf der Großbildleinwand im Sony Center am Potsdamer Platz bei freiem Eintritt gezeigt. Damit erreichen diese drei Inszenierungen eine große Reichweite, die über die Bühnenvorstellungen hinausgeht.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.berlinerfestspiele.de/theatertreffen

 „89/90“ nach dem Roman von Peter Richter. Regie Claudia Bauer. Schauspiel Leipzig. Premiere 16. September 2016

In Peter Richters autobiografischem Wenderoman „89/90“ geht es um den großen Epochenumbruch des Mauerfalls, geschildert aus der distinktionsbewusst popliterarischen Sicht eines damals 16-jährigen Dresdners zwischen aufgekratzter Vorwende-Anarchie und demütigendem Nachwende-Kaufrausch. Regisseurin Claudia Bauer verkehrt die persönliche Erinnerung in ihr Gegenteil und inszeniert ein Wendeoratorium, in dem die subjektive Erzählerstimme aus dem Radiostudio der Erinnerung immer wieder zum Kollektiv auf die Bühne hinabsteigt und in ihm aufgeht: In einem Ensemble pummliger Pinocchio-Puppen, in einer für den Sozialismus gedrillten Schulklasse, in einem Freizeitchor, der auf der Bühne des Leipziger Schauspiels regimetreue und -kritische DDR-Songs ironisch feierlich intoniert. Zugleich wird die Geschichte einer fundamentalen Spaltung erzählt, die bis in die bundesdeutsche Gegenwart fortdauert: An der Rechts-Links-Kreuzung wählte man zwischen autoritärem Nationalismus und selbstverantwortlicher Freiheit. Bauer übersetzt beides in Bild und Ton und verhilft so dem Roman zu großer Form.

„Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. Regie Johan Simons. Thalia  Theater,  Hamburg.  Premiere  25. November 2016

Wie der Geist des Kapitalismus sich aus der protestantischen Ethik entwickelt, das hat Theodor Storm zwanzig Jahre vor Max Webers epochaler Untersuchung im „Schimmelreiter“ bereits am Beispiel des Deichbaupioniers Hauke Haien anschaulich gemacht. Im Strudel aus sozialer, abergläubischer und Natur -gewalt zeigt Storm in seiner Erzählung, dass Epochenbrüche selten strahlende Erfolgsgeschichten sind, sondern Ablösungsprozesse mit brutalen Konsequenzen. Johan Simons’ düstere und repetitive Interpretation konzentriert sich auf diese Unverträglichkeit zweier Weltanschauungen: Die traditionelle Sicherheit ständig wiederholter Lebenszyklen und der technische Optimismus des Entrepreneurs, der seinen persönlichen Ehrgeiz befreit, werden wie geistige Mühlsteine aneinander gerieben, bis der bremsende den beschleunigten zerbricht. Es ist eine berührungslose Lebenswelt ohne Farbe, die Simons hier mit brillanten Schauspieler*innen als Rückschau auf eine Zeit inszeniert, die wie die Gegenwart vom Kampf zwischen Modernisierungsgewinner*innen und -verlierer*innen geprägt war.

 

„Die Borderline Prozession“ Ein Loop um das, was uns trennt  von Kay Voges, Dirk Baumann und Alexander Kerlin. Regie Kay Voges. Schauspiel Dortmund. Uraufführung 15. April 2016

Eine Musik-, Kunst-, Theater- und Filminstallation: philosophisches Totaltheater. Kay Voges vermisst die heutige Welt als rasend Bilder ausspeiende Maschinerie und lotet ihre Auswirkungen auf moderne Bewusstseinszustände aus. Die Zuschauer*innen haben unterschiedliche Einblicke in den gewaltigen 10-Zimmer-Gebäudekomplex in gediegenem Retro-Mittelstands-Schick. Sie sehen atmosphärische Stillleben, inspiriert von Künstlern wie Edward Hopper oder Gregory Crewdson, können sich geistig selbst bedienen aus dem darüber laufenden Musik-Medley und Zitatengewitter. Um sie herum kreist eine Prozession aus 23 Darsteller*innen mit Weihrauch und Gesang, als wolle man die irre gewordenen Weltgeister bannen. Bald wird der zunächst banale Alltag zur Festung gegen eine zusehends eskalierende Krise, die das behagliche Drinnen und den Firnis der Zivilisation durchbricht. „Borderline Prozession“ ist eine Reflexion über den Terror der gleichzeitigen Ereignisse, die wir uns süchtig permanent medial zuführen. Eine Meditation zur allgemeinen Weltverwirrung.

 

„Die Räuber“ von Friedrich Schiller. Regie Ulrich Rasche. Residenztheater, München. Premiere 23. September 2016

In einer Epoche der aufkommenden Massenbewegungen, da sich Demokratiefeinde auf Marktplätzen wie auf Social-Media-Plattformen gegen die offene Gesellschaft formieren, bietet Ulrich Rasches eigenwillig strenges und über Jahre verfeinertes Chortheater das Kunstwerk der Stunde. Rasche platziert seine Spieler*innen auf riesigen Laufbändern, die wie Panzerketten rotieren, sich gen Himmel heben und gen Abgrund neigen. Egal ob der Moor’sche Haushalt, der vom Intriganten Franz gekapert wird, oder die Räuberhorde um Karl Moor – alle schreiten wie Galeerensklaven einher; alle geraten in den Sog der Masse, den Rasches Komponist Ari Benjamin Meyers mit meditativen, archaischen Trommelkompositionen kongenial orchestriert. An diesem opernhaften, düsteren Abend verdichten sich die Durchbruchsphantasien und die Kritik der Instanzen, die Schillers Protagonist*innen entflammen, zum apokalyptischen Mahnmal.

 

„Die Vernichtung“ von Ersan Mondtag und Olga Bach. Regie Ersan Mondtag. Konzert Theater Bern. Uraufführung 15. Oktober 2016

Ein menschenleeres Scheinidyll ist das erste grandiose Bild, das Ersan Mondtag, Regisseur und Ausstatter der Uraufführung von Olga Bachs „Vernichtung“, dem Publikum schenkt. In diesen raffiniert gesampelten Natur- und Kulturpark flutet Brahms’ „Ein deutsches Requiem“ und dann plumpsen sie ins Bild. Vier Menschlein. Und staunen und starren und wissen nicht, was anfangen mit dieser Pracht. Mondtag macht aus Olga Bachs Kitchen- Table-Drama über junge Leute, die einen Kick gegen die Alltagstristesse brauchen, ein atmosphärisch unglaublich dichtes Gesamtkunstwerk. Die Figuren sind Menschenpuppen, in bemalten Schaumstoff gehüllt. Sie staksen auf und ab, wie an Marionettenfäden gezogen, unterhalten sich sprunghaft, bewegen sich in Handlungsmustern, die mal konventionell wirken, mal rituell, aber konsequent motivationslos. Zu ihren Hobbys gehört „urbanen Stress verursachen“. Eine Gemeinschaft unterbeschäftigter Gutmenschen zerfällt. Mondtag übersetzt diese Sozialprognose in bildmächtige Sci-Fi-Sequenzen, die vom Ende der Party und von aufkeimender Lust an der totalitären Gruppe künden.

 

„Drei Schwestern“ von Simon Stone nach Anton Tschechow. Regie Simon Stone. Theater Basel. Uraufführung 10. Dezember 2016

Ein Glashaus wie aus dem Wunschkatalog für Wohlstandskinder: Hier hinein verpflanzt Regisseur Simon Stone Tschechows „Drei Schwestern“. In ein modernes Ambiente, das dank Drehbühne rundum einsehbar ist. Allenfalls für Sekunden versperrt die Fassade dem Publikum die freie Sicht auf Streit und Sex und Saufgelage – denn das alles wird kommen in dieser gegenwärtigsten Tschechow-Bearbeitung, die das Theater seit Langem gesehen hat. Stone hat die Dialoge komplett neu geschrieben und den Figuren eine Haut von heute angepasst, Tschechows Story und die Konfliktkonstellation aber übernommen – die Tragikomik, die Melancholie, die Sehnsucht und den Schmerz. Das hervorragende Basler Ensemble veredelt die Trivialität der Geschehnisse rund um Irinas Geburtstagsfest, indem es die Verlogenheiten der Daily Soap im Ferienhaus der Schwestern mit ausspielt. Trivialität ist hier eine dünne, durchsichtige Schutzhülle. Darunter tragen die Figuren nur noch nackte Verzweiflung. Und die Narben von der vergeblichen Suche nach dem Glück.

 

„Five Easy Pieces“ von Milo Rau. Regie Milo Rau.

Eine Produktion des International Institute of Political Murder und CAMPO Gent

In Koproduktion mit Sophiensaele, Berlin / Kunstenfestivaldesarts Brussels 2016 / Münchner Kammerspiele / La Bâtie – Festival de Genève / Kaserne Basel / Gessnerallee Zürich / Singapore International Festival of Arts (SIFA) / SICK! Festival UK / Le phénix scène nationale Valenciennes pôle européen de creation.

Uraufführung 14. Mai 2016 Kunstenfestivaldesartes Brüssel. Premiere 1. Juli 2016 Sophiensaele Berlin

Ein Theaterstück über den belgischen Kindermörder Marc Dutroux ausgerechnet mit Kindern zwischen 8 und 14 Jahren auf die Bühne zu bringen – das riecht nach Skandal und einer Idee des Schweizer Regisseurs Milo Rau, der sich schon länger mit der Darstellbarkeit des Bösen befasst. In „Five Easy Pieces“ verdoppelt Rau die Theatersituation, indem er sieben Kinder und einen Regisseur (Peter Seynaeve) beim Proben zeigt. Die auf dokumentarischem Material beruhenden Szenen rund um den Fall Dutroux – Interviews mit dem Vater des Täters, aber auch mit Eltern der Opfer, der Bericht eines Polizisten, der nie verschickte Brief eines entführten Mädchens an ihre Eltern – werden zunehmend von der Frage überlagert, wie und ob überhaupt Kinder in diesem Fall Figuren spielen können. In seiner hochambivalenten, die eigene Ethik streng reflektierenden Inszenierung gelingt es Milo Rau, die selbstbewussten Individualitäten der Genter Kinder gegen das Böse, auch in der Kunst, in Szene zu setzen.

 

„Pfusch“ von Herbert Fritsch. Regie Herbert Fritsch.

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin. Uraufführung 24. November 2016

Herbert Fritsch hat in seinen freien Bühnen-Kreationen der letzten Jahre etwas Einzigartiges geschaffen: ein Theater, das artistisches Spiel aus überkommenen Sinnfragen herauslöst, das keine Geschichten erzählt, sondern Bildläufe komponiert, und das in all dem kein bisschen unzugänglich wirkt – eine Avantgarde mit fröhlichem Antlitz. In seiner Abschiedsarbeit in der Kraftzentrale seines Schaffens, der Berliner Volksbühne, baut Fritsch sein Körpertheater zum umfassenden Klangkunstwerk aus. Im Mittelteil ist der Abend ein vielstimmiges Klavierkonzert wie aus dem Geiste der frühen Moderne geboren, gnadenlos dissonant, physisch, treibend. Die beiden anderen Teile des Triptychons spielen mit diskreter Ironie auf das Ende der Castorf’schen Volksbühne an: Eingangs turnt Fritschs Gruseltanten- Ensemble todesmutig an einem kolossalen Bühnenrohr und huldigt der Infrastruktur des Hauses. Im Finale geht’s gemäß Castorfs Intendanz-End-Bonmot, die Volksbühne könne nach Chris Dercon immer noch als „Badeanstalt“ dienen, zum Synchronschwimmen in den Pool – selbstredend bei höchsten Haltungsnoten. Denn Fritsch weiß wie kein zweiter: „Timing ist kein Ort in China.“

 

„Real Magic“ von Forced Entertainment. Konzept und Regie Forced Entertainment. Künstlerische Leitung Tim Etchells.

In Koproduktion mit PACT Zollverein, Essen / HAU Hebbel am Ufer, Berlin / Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt / Tanzquartier Wien /ACCA Attenborough Centre for the Creative Arts, University of Sussex / Spalding Gray Consortium – On the Boards, Seattle / PS122 NYC / Walker Art Center, Minneapolis / Warhol Museum,  Pittsburgh.

Uraufführung PACT Zollverein Essen 4. Mai 2016

Ein kleiner radikaler Abend: zum Totlachen und zum Verrücktwerden. Drei Überdurchschnittstypen spielen Quizshow. Die Spielfläche besteht aus einem Stück Kunstrasen und ein paar Lampen, die sich im Halbkreis drum herum arrangieren. Die drei bewährten Forced-Entertainer*innen Jerry Killick, Richard Lowdon und Claire Marshall schlüpfen mal in die Rolle des Quizmasters, mal in die Rolle der Kandidat*innen. Begriffe sollen geraten werden. Im Sinne des bekannten Diktums von Samuel Beckett „Wieder scheitern. Besser scheitern“ wiederholt sich die selbe Szene immer wieder anders, wobei der Abend alle möglichen Tonarten ausprobiert, alle erdenklichen Gesten ausschöpft. Dazu ertönen schreckliche Lacher vom Band und ein bisschen peppige Show-Musik. Heraus kommt eine hochenergetische Performance, die vom Zwang zur Wiederholung erzählt und von der Vergeblichkeit, sich aus bewährten Mustern zu lösen. Von den Realitäten des Lebens versteht dieser absurde Abend dabei ebenso viel wie von der Magie des Theaters.

 

„Traurige Zauberer“ von Thom Luz. Regie Thom Luz. Staatstheater  Mainz.  Uraufführung  21.  Mai 2016

Niemand verteidigt die Lächerlichen so konsequent wie Thom Luz. Verrückte Forschungsreisende und Jenseitstelefonier*innen, demente Enzyklopädist*innen und Freund*innen des LSDs, Hypochonder*innen oder Künstler*innen in ihren Empfindsamkeiten sind die Held*innen des jungen Schweizers. In all seinen Arbeiten vermittelt er das tiefe Vertrauen darein, dass in diesen Parallelwelten mehr Wunderbares steckt als in allen Verführungen von Konsum, Karriere und Krediten. Nun also Zauberer*innen, jene Lots*innen in die Illusion, die uns glauben machen wollen, es gäbe Dinge, die nicht sein dürfen. In seinen musikalischen Versuchsanordnungen lässt Luz diese Profis der Täuschung aufeinander los, sucht Fährten zu ihrer Sonderbegabung, zeigt sie als eifersüchtige Konkurrent*innen bei der Sabotage und im Kampf um Assistentinnen. Doch selbst in menschlicher Niedrigkeit besitzen diese Sonderlinge eine Illusion von Glück, die Menschen mit normaler Anerkennungssucht sofort fasziniert. Das ist der fröhliche Zauber dieses Abends: die Würde des Lächerlichen ist nicht zum Verschwinden zu bringen.