„Da Claudio“ (Usedom) – gelungener Generalangriff auf die Geschmacksnerven

Die Natur spielt immer die wichtigste Rolle, Kunstgriffe sind meist verpönt – so entsteht eine Küche, die durch ihre Einfachheit fast etwas Geniales hat. Immer wieder neue Verblüffung: das Simple der Produkte und der Zubereitung und dann ungeheure Geschmackserlebnisse. All das hat bisher auf Usedom gefehlt, all das wird jetzt in schönster Form in einem kleinen Restaurant geboten, mit Charme, Eleganz und zielstrebigem Können, im „Da Claudio“, Heringsdorf, Friedenstraße 16. Ina und Claudio Mazzucato sind die Zauberkünstler. Früher ein kleines unscheinbares Büroartikelgeschäft, heute noch immer klein, aber strahlend auffallend durch den Namenszug und durch die wunderbare einfache Dekoration. Ina hat alles ausgesucht, „ es ist mein Restaurant“ erzählt sie stolz. Mit leichter Hand stemmt sie den Service, ständig alles im Griff, perfekte Abläufe. Mit leichter Hand zaubert Claudio, präsentiert wunderbare Produkte, lässt ihnen ihr Eigenleben, verfeinert gekonnt zurückhaltend, perfekt und ohne Pomp. Da ist ein Pulpocarpaccio mit einem kleinen gemischten Salat, Rucola und Kresse. Ein traumhaft zarter Pulpo, etwas Marzipanhaftes hat er an sich, schmilzt am Gaumen, sanft im Geschmack, nichts ist streng, störend – nein nur betörend. Die Vinaigrette perfekt gelungen, ungemein erfrischend. Schlichtheit und Raffinesse auch bei einem Zucchinicarpaccio, Scampi und einem warmen Tomatenragout.  Bella Italia purissimo. Geschmack und Konsistenz harmonisieren perfekt. Kochen hat Claudio eigentlich nicht gelernt, obwohl ziemlich viel dickes Gastronomieblut durch seine Adern fließt. Sein Vater besaß das legendäre „Mario“ in der Berliner Leibnizstraße, immer die erste Italiener Adresse in Berlin, immer ein Treffpunkt von Kunst, Kultur und Kulinarik. Sohnemann aber lebte mehr für den Fußball, schaffte den Sprung in die U 17 Jugendnationalmannschaft, spielte dreimal für Deutschland. Dann ein Jahr Training mit der Profimannschaft von Hertha BSC, danach Wuppertal und SC Brück Köln. In weiser Voraussicht beginnt er aber trotzdem eine Ausbildung zum Hotelfachmann. Doppeltes Glück: grundsolide Kenntnisse und das Kennenlernen seiner Frau Ina. Danach Stationen auf Mallorca, mit großem Erfolg das „Cascina“ in Calonge und das „Es Moli“ in Santanyi. 1998 wieder Berlin, wieder das „Mario“. Weitere Stationen: Bansin, Achensee und Südtirol. Der Ruf der Ostsee, der Lockruf  Usedoms , der Charme der kleinen Immobilie in Heringsdorf sind die Sieger und die Gäste  die großen Gewinner. Sein  Vater bringt ihm bei: „3 Gerichte kriegst auch du hin: Pasta, Gnocchi und Ravioli. Pasta werden gekauft- aber Ravioli und Gnocchi musst du selber machen.“  Das Ergebnis ist ein Ereignis: Basilikumgnocchi mit Basilikumbutter. Der 7.Himmel, das Geheimnis: Ricotta machen sie so fluffig.  Eine Tiramisu ist eine Tiramisu, ist eine Tiramisu und dann doch nicht. So zart, so elegant, so leicht, so schmelzend, so ohne Alkoholgeschmack haben wir sie noch nicht gegessen.  Claudios Küche ist ein permanenter, ernster, wunderschöner Generalangriff auf die Geschmacksnerven.

Etwas anders, aber ebenso nachvollziehbar, beschriebt Heinrich Heine die italienische Küche: „ Italiens gelbfette, leidenschaftsgewürzte, humoristisch garnierte, aber doch schmachtend  idealische Küche trägt ganz den Charakter der italienischen Schönen. O wie sehne ich mich manchmal nach den lombardischen Stuffados, nach den Tagliarinis und Broccolis der holdseligen Toscana! Alles schwimmt in Öl, träge und zärtlich, und trillert Rossinis süße Melodien, und weint vor Zwiebelduft und Sehnsucht.“

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