Der helle Bergheim Stern über’n Ruhrpott

kul. Plauderei 6.3.2012
foto: schloss hugenpoet

Als ich Erika Bergheim das erste Mal traf, war sie eine aufstrebende Köchin im Schloss Hugenpoet, verantwortlich für alle Herdplatten auf dem Gelände, Köchin hier und Köchin dort, Köchin vorne und Köchin hinten, Köchin oben und Köchin unten. Wir trafen uns, für eine Deutschlandradio Kultur Sendungn,eine Landschaftsbeschreibung der besonderen Art, eine ‚EssTour‘ im Ruhrpott. Die Zusammenarbeit war gelungen, eine Drei Sterne Erinnerung blieb für Kreativität, Sympathie und Bescheidenheit. Die Erinnerung trügt nicht. Diese drei Faktoren treffen noch immer zu. Sonst hat sich viel geändert: der Michelin Stern, die Konzentration auf das Wesentliche, der Mut, sich auf wenige Dinge auf dem Teller zu konzentrieren. Der Stern ist natürlich auch eine Belastung, denn es gibt immer wieder Stimmen, die sagen: das kannst du doch nicht so machen, wir können viel verlieren. Dabei scheint solchen Meinungsträgern entgangen zu sein, dass sich auch der Michelin erheblich verändert hat, befreiter ist, moderner, der Zwang zur Perfektion ist nicht das Alleinentscheidende , sondern Mut zur leichteren Form , zur Kreativität sind die Bausteine der Sterneerfolge. Erika Bergheim hat das sehr schnell erkannt und eine ganze Menge verändert. Die neue breite Streuung des Michelin zwischen Klassik und Avantgarde, beherrscht sie perfekt. Die Linien heißen: Menü Nesselrode und Menü Aromatique. Ein wunderbares Küchenspielfeld. Bei der Klassik: Hummer und Schwarzwurzel, Nagelrochen und Fenchel, Lamm und Rhabarber. Bei der ‚Aromatique: Gänseleber und Mispel, Seezunge, Oktopus und Vongole, Rind und Mangold.

Die ganze Bandbreite der Kunst von Erika Bergheim offenbart sich schon beim amuse bouche: eine Pumpernickel Mousse oder ein gebackener Kalbskopf als Praline. Der Gaumen ist elektrisiert und öffnet sich bereitwillig für die kommenden Küchen-Köstlichkeiten.

Atlantik-Hummer mit grünem Spargel. Ein Bildnis für die Galerie.

hummer
foto: jschi

Der Geschmack: sanft, weich und zart der Hummer, die feste Bissigkeit des grünen Spargels und dazu die leichte Süße der Erdbeere. Harmonie und glänzende Verbindung.

Marinierte Frühlingsgemüse

foto: jschi
foto: jschi

Hier wird eine meist vernachlässigte Komponente der großen Küche ernst genommen. Gemüse und Obst-nicht als Beilage-sondern als eigenständige Komponente. Welch ein Füllhorn aus gebackener Schalotte, Papaya, Kumquat, Spargel, Leinsamen, Erbsenpulver, Sauerampfer, Joghurteis, rotes Zwiebelpulver und Erbsensprossen. Die Augen verlieben sich in vollendeter Ästhetik, der Gaumen erlebt Texturen, wie sie besser nicht geschaffen werden können. Bergheims Freude, mal immer wieder ein vegetarisches Menü aufzustellen, wird voll bestätigt. Hier und so kann man tatsächlich zum Vegetarier werden.

Seezunge mit Oktopus und Vongole im Safran-Senfsud

foto: j.schi
foto: j.schi

Welch ein Mut, Safran und Senf zusammenzuführen, voll gelungen ein ungeheuer intelligenter Faktor. Die Seezunge: einfach perfekt, saftig, schmelzend, geschmackstrotzend, Vongole und Oktopus ideale Steilvorlagen-Geber.

 Lammkeule vom Müritzsee mit jungem Gemüse, Rhabarber und Knödel

foto: jschi
foto: jschi

Der Teller erinnert in der Optik an Fleisch auf einer Wiese. Die Textur beim Lamm, zart, geschmackvoll, bissig, der Geschmack, sanfte Intensität, schmelzend. Auch hier wieder ein Produkt der Güteklasse 1. Das junge Gemüse, Navette, Zucchini und Aubergine, unterstreicht auch hier das gekonnte Händchen der Chefin beim Umgang  mit den Produkten. Leicht säuerlich, ein leichter Kontrapunkt zum kräftigen Lamm. Rhabarber als Püree, kaum erkennbar, mild, kaum säuerlich, eine dezente Unterstreichung und Begleitung.

Auch beim Dessert Witz und Geschmack – marinierter Rhabarber mit Berliner Ballen und Veilcheneis.

berliner ballen
foto: j.schi

Der Rhabarber ist so wunderbar mariniert, das allein er schon, Glöckchen klingen lässt – aber da ist ja noch das andere wunderbare Geschmackserlebnis, das Veilcheneis. Goldmedaille für dieses Paarlaufen. Gute Ergänzung durch den witzigen kleinen ‚Berliner‘ oder Pfannkuchen, wie der Berliner sagt.

Übrigens: wenn Erika Bergheim vielleicht doch mal nicht da ist – auch Köchinnen sind ja vor Krankheiten nicht gefeit: sie hat einen tollen Sous-Chef, der ihre Handschrift hervorragend umsetzt – Thorben Oliver Schröder, unter anderem mit den Stationen: Restaurant Alt Wyk, 1 Michelin Stern, Restaurant Vlet in der Speicherstadt, 15 Punkte beim Gault Millau, Grand Hotel Kronenhof in Pontresina, 1 Michelin Stern. Beide sind ein Koch-Dream-Team.

Dirk Matull Fotografie
foto: schloss hugenpoet

 Welch wunderbarer Abend: gelungene Klassik und Moderne, Form und Textur. Das Wichtigste ist, dass man beim Essen: ‚Wow‘ sagt.  Hier ein dreifaches ‚Wow‘.

Für den Service und die Küche.

foto: schloss hugenpoet
foto: schloss hugenpoet