»Demokratie und Tragödie« beim Festival Internationale Neue Dramatik vom 30. März bis 9. April 2017
Unter dem Motto »Demokratie und Tragödie« zeigt das 17. Festival Internationale Neue Dramatik (FIND) vom 30. März bis 9. April ein Panorama der spannendsten internationalen Theaterproduktionen und Theatermacher des Augenblicks. Die 16 Produktionen aus Belgien, Chile, Deutschland, Iran, Irland, Italien, Kolumbien, Mexiko, Spanien, den USA und Wales zeigen auf eindrucksvolle Weise eine Auseinander-setzung mit der politischen und gesellschaftlichen Gegenwart.
Thomas Ostermeier, Künstlerischer Leiter der Schaubühne, zum Motto des Festivals: »Als wir das Thema für FIND entwickelt haben, wollten wir etwas über den Zusammenhang der attischen Demokratie und ihrem Theater erzählen. In der Tragödie sollten die Bewohner des alten Athens durch die Katharsis von ihren Affekten gereinigt, vernunftorientierter die Fragen der Demokratie verhandeln. Durch die jüngsten politischen Ereignisse lässt sich unser Motto leider darauf verkürzen, dass sich unsere westlichen Demokratien immer mehr zu Tragödien entwickeln«.
Premiere
Die spanische Autorin, Regisseurin und Performerin Angélica Liddell arbeitet zum ersten Mal an einem Ensemble-Theater und inszeniert mit Schauspielerinnen und Schauspielern der Schaubühne ihr Stück »Toter Hund in der Chemischen Reinigung: die Starken«. Sie zeichnet darin Europa in einer dystopischen Zukunft.
Gastspiele
Richard Nelson (New York) verwebt in seiner neuen Trilogie »The Gabriels: Election Year in the Life of one Familiy« im Wahljahr 2016 große nationale Ereignisse mit kleinen Geschehnissen privaten Lebens. Die Europa-Premiere wird zusammen mit »Theater der Welt« in Hamburg präsentiert.
Aus der Perspektive der heutigen (Post-)Demokratie blickt der italienische Regisseur Romeo Castellucci (Cesena) auf »Democracy in America« (1835) von Alexis de Tocqueville als Wendepunkt des europäischen Denkens über das Staatswesen.
»Tristesses« von Anne-Cécile Vandalem (Brüssel/Liège) spielt in einem Europa der Gegenwart, in dem Rechtspopulisten zunehmend Einfluss gewinnen. Mit schwarzem Humor legt Vandalem die Hysterisierung gegenwärtiger Politik offen.
In ihrer neuen Arbeit »Hamnet«, einem Solo für einen 11jährigen Jungen, widmet sich das Theaterkollektiv Dead Centre (Dublin/London) William Shakespeares einzigem Sohn, der im Alter von 11 Jahren starb. Das Stück wird an der Schaubühne uraufgeführt.
»Acceso« ist die erste Theaterarbeit des vielfach preisgekrönten chilenischen Filmregisseurs (»Neruda«, »Jackie«, »El Club«) Pablo Larraín (Santiago de Chile). Der Schauspieler Roberto Farías spielt darin Sandokan, ein Außenseiter, der im Transantiago-Bus Billigprodukte an die Leute bringt. Nach und nach erzählt er aus seiner Vergangenheit und entwirft eine schonungslose Anklage gegen ein tief korruptes System.
»Tijuana« des jungen mexikanischen Theaterkollektivs Lagartijas tiradas al sol (Mexiko Stadt) ist Teil eines Triptychons mit dem Titel »Die Demokratie in Mexiko« und basiert auf einem realen Selbstversuch: Autor und Performer Gabino Rodríguez arbeitete sechs Monate für den Mindestlohn unter falscher Identität in einer Montagefabrik der Grenzstadt Tijuana.
Christophe Meierhans (Brüssel) zeigt mit »Verein zur Aufhebung des Notwendigen« ein Abendessen über die Demokratie. Die Zuschauer bereiten nach einem von Meierhans verfassten Kochbuch ein Zwei-Gänge-Menü samt Apéro und Getränken zu. Die Küche wird zum Raum individuell getroffener, allgemein bindender Entscheidungen.
»Pendiente de voto« von Roger Bernat (Barcelona) lässt das Publikum in einem Wahl-Experiment über Fragen des Gemeinwesens entscheiden. Ausgerüstet mit Abstimmungsgeräten werden die Zuschauer zum Modell einer Öffentlichkeit, die individuell, zu zweit und in Gruppen Standpunkte verteidigen, andere überzeugen und Entscheidungen treffen muss.
»Iphigenia in Splott« von Gary Owen (Cardiff) erzählt die unmögliche Liebe der jungen Effie aus dem walisischen Arbeiterviertel Splott zu einem behinderten Ex-Soldaten.
»Sei, wer du nicht bist« von Saman Arastou (Teheran) stellt, ausgehend von der Biografie des Autors, Regisseurs und Hauptdarstellers, die Situation von Transsexuellen im Iran ins Zentrum.
In »Please Excuse My Dear Aunt Sally« erzählt der US-Amerikanische Autor Kevin Armento die Geschichte eines Schülers, der ein Verhältnis mit seiner Mathelehrerin eingeht – alles aus der Perspektive eines Handys. Christoph Buchegger stellt das Stück in Form einer Werkstattinszenierung mit Ensemblemitgliedern zum ersten Mal einem deutschen Publikum vor.
In »From here I will build everything« verbindet der belgische Schauspieler Cédric Eeckhout, der bei FIND 2016 in Sanja Mitrovićs Produktion »Do You Still Love Me?« zu sehen war, in einem kurzen Stand-Up-Monolog seine persönliche Lebenskrise mit der Krise Europas.
Während des Festivals wird es außerdem zahlreiche Publikumsgespräche mit den Künstlerinnen und Künstlern sowie zwei Podiumsdiskussionen geben. Am 2.4. diskutieren Richard Nelson, Thomas Ostermeier und Anne-Cécile Vandalem über die Rolle des Theaters angesichts der bevorstehenden Wahlen in Frankreich, Niederlande und Deutschland. Carolin Emcke spricht im Streitraum am 9.4. mit ihren Gästen über »Grenzen des Respekts – die radikalisierte Gesellschaft«.
Das Festival Internationale Neue Dramatik FIND findet vom 30. März bis zum 9. April statt und wird gefördert durch Kulturstiftung des Bundes.