Restaurant ‚Lucullus‘ – Italien in bester Reinkultur

Lucullus – römischer Senator und Feldherr. Bekannt wegen seiner üppigen Gastmähler. Eine bedeutende Kriegsbeute war die erste Kulturform der Kirsche. Die Kirsche in der Hand als ein Stück Kulturgeschichte.

Lucullus – werbewirksamer  Begriff für Schlemmen im positiven Sinne. Beutespiel der Werbung: Gewürze, Catering, Hundefutter, Fernsehsender.

Lucullus – ein kleines, feines, italienisches  Restaurant in Berlin-Schmargendorf, gegenüber vom Rathaus.

Antonio Marcone,  Besitzer, Patron, Koch und perfekter Gastgeber. Lucullus in Berliner Reinkultur.
Die graue Löwenmähne unbändig gebändigt neigt sich leicht nach unten, mit unendlicher Geduld und der Präzision eines Chirurgen wird letzte Hand angelegt: eine wunderbare, überraschende Vorspeise erfährt ihre Vollendung. Ein Auberginen-Zucchini Auflauf mit Mozzarella und Parmesan

30 Stunden dauert die Vorbereitung  und ein Wunder passiert: keine Massivität, keine Spur von öligen Substanzen. Durch die feine Art der Veredelung, durch den Mut zur Behutsamkeit und zur Geduld entsteht ein kleines appetitanregendes Kunstwerk, von dem man eigentlich nicht mehr lassen kann. Ein so noch nicht erlebter voller, fruchtiger Auberginengeschmack, der ganze südliche italienische Landstriche im Gaumen widerspiegelt. Der zart schmelzende Mozarella – natürlich original Büffel – und der Parmesan setzen die krönenden Geschmackspunkte.Ein Gericht als lustvoller Wegweiser in eine italienische Küche, die auf jeden Firlefanz, auf Schnörkel, Balsamicolinien, Schäumchen verzichtet. Eine Küche voller Gradlinigkeit und Konzentration auf das Notwendige. Marcone beschreibt seinen Küchenstil als einfach aber ganz besonders, weil Dinge auf den Tisch kommen, die andere selten machen, weil sie sich unterfordert fühlen. Dabei gibt es kaum etwas verführerisches als Spaghetti Napoli, Tomatensauce und Basilikum. Region pur und gekonnt gelungen. Seit 35 Jahren lebt und arbeitet er jetzt in Berlin, immer im Grunewald, Dahlem oder Schmargendorf. Nur einmal zog es ihn in das Zentrum des vereinten Berlin, allerdings in den westlichen Bereich, an den Walter-Benjamin-Platz. Das ‚I Portici‘ eroberte sich schnell einen guten Ruf, die Gegend aber ist nur etwas für Kenner und Liebhaber, seelenlose Platz Architektur, die nicht gerade zum Flanieren verlockt. Laufkundschaft ist hier ein unbekanntes Wesen und so  fraßen die Kosten  alles auf. Der Abschied viel schwer –  aber Schmargendorf lockte mit guter Gegend und Nachbarschaft. Ein etwas  schwieriger Start, weil sein Restaurant auch eine lange Zeit hinter Bauplanen versteckt war – jetzt aber läuft es immer besser. Antonio Marcone geht noch immer selbst einkaufen, träumt von einem funktionierenden Umland und seinen Produkten und plant noch stärker als bisher Italiens Regionen zu präsentieren. Damit hatte er früher schon einmal Furore gemacht- unvergessen  die Erinnerung an das Valtellina, dem Tal in der Lombardei, im Norden Italiens, an der Grenze zur Schweiz . „Pizzocheri“ milde Nudeln aus Buchweizenmehl mit würzigem Schmelzkäse, Almbutter und verschiedenen Gemüsen. Bündnerfleisch und Bresaola, Wirsing, Kartoffeln und Rosmarin. Die Vorfreude läßt uns jetzt schon das Wasser im Munde zusammenlaufen. Marcone erzählt das alles in seiner charmanten, sanften Art, die den Stil des Hauses prägt. Er will mit dieser Art des Charmes, der Gastfreundschaft und der Küche begeistern. Kein Schicki Micki, kein Lockendrehen auf kulinarischen Glatzen, sondern nur eine gute Küche anbieten. Das gelingt dem ‚fast‘ Neapolitaner und seinem Partner Marco Scorsone auf wunderbare Weise. Der Gastraum gemütlich, Wohnzimmeratmosphäre, wieder das Familiäre.

Die Spezialitäten des Tages präsentiert  Marco in zurückhaltend, leicht singendem Tonfall. Wem das noch nicht reicht oder wegen der Fülle einiges vergißt, dem hilft der Blick auf Schiefertafeln, wo weiß auf schwarz alles steht

Also Teil 2 des ‚lucullischen‘ Angebotes. Weiße Bohnen, Garnele, Knoblauch, Thymian und Kirschtomaten.

Ein Wohlbehagen. Nichts ist verfremdet, verändert, verfälscht. Die Bohnen kommen aus der Region Neapel , schmecken einfach frisch und sauber, kein mehliger Beigeschmack, gerade auf dem Punkt. Die Garnelen hatten noch Meeresfrische und die drei Begleiter: Knoblauch, Thymian und Kirschtomaten waren ein Trio der Harmonie,angenehme Begleiter ohne Aufdringlichkeit.

Dann ein regionaler Knallbonbon aus Apulien und Kampanien, cime di rape – Stängelkohl oder Rübensprossen, ein typisches Wintergemüse, ein sanfter bitterlicher Geschmack, dazu Salsiccia ,eine pikant gewürzte Wurst, hausgemacht – eine tolle Qualität, denn oft wird die Salsiccia aus billigem Fleisch hergestellt und zu viel Fenchel verschwendet. Mit dem cine di rape und Orecchiette, den „Öhrchen“ , eine geschmacklich wunderbare Ergänzung.Genau so gut waren die Capellini puttanesca, das Engelshaar, die dünnsten aller Spaghetti, 1,2 – 1,4 mm, die ganz besonders hervorragend die Sauce aufnehmen, Tomate, schwarze Olive, Knoblauch und Kapern. Eine herrliche Sauce, ohne Parmesan oder Peccorino. Nach einer Anekdote das Schnellgericht für Prostituierte, schnell zubereitet zwischen den Besuchen der Freier.Fisch und Fleisch fühlen sich hier im „Lucullus“ ebenfalls artgerecht behandelt, wie Loup und  Lamm bewiesen.

Ein Feuerwerk an Eleganz und Leichtigkeit dann der Nachtisch: eine Cassata, die sizilianische Sonntagstorte. Welch massive Angriffe auf Seele und Magen haben wir schon überstanden, ganze unverdauliche Steinbrüche und dann das kleine, große Dessert-Wunder: selbstgemacht leuchtet sie prunk- und prachtvoll, mürber Biskuit mit Ricotta, weniger Zucker als üblich – ganze 50% – kandierte Früchte nicht als Plombenzieher, sondern geschmackvoll zurückhaltend, oben eine Schicht aus hauchdünnem  Marzipan und ein Zuckerguss aus Eiweiss und Zitrone. Nicht nur Lucull ist hier zu Hause, auch Heinrich Heine mit seinem Loblied auf die italienische Küche: „Italiens leidenschaftgewürzte, humoristisch garnierte, aber doch schmachtend idealische Küche trägt ganz den Charakter der italienischen Schönen. “

Alle Fotos: j.schi

Ristorante LUCULLUS , Berkaer Str. 39, Wilmersdorf/Schmargendorf,  geöffnet Dienstag- Sonntag 16 bis 23 Uhr

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