Theaterpreis Berlin 2017 an Herbert Fritsch


Für seine außerordentlichen Verdienste um das deutschsprachige Theater zeichnet die Stiftung Preußische Seehandlung Herbert Fritsch mit dem Theaterpreis Berlin 2017 aus.

Die Entscheidung über die Auszeichnung traf die Preisjury, der die Intendantin des Schauspielhauses Zürich, Barbara Frey, der Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, Wilfried Schulz und die Theaterkritikerin Eva Behrendt, sowie mit beratender Stimme der Intendant der Berliner Festspiele, Dr. Thomas Oberender, angehören.

In der Jurybegründung heißt es: „Bei mir dürfen die Schauspieler all das machen, was ihnen schon auf der Schauspielschule verboten wurde, hat Herbert Fritsch einmal lächelnd behauptet (…). Nach einer Schauspielerkarriere von Heidelberg an die Berliner Volksbühne der 90er und Nuller Jahre befreit der frühere Castorf-Protagonist in seiner zweiten Lebensrolle als Regisseur seit nunmehr zehn Jahren seine Schauspieler*innen zum hemmungslosen Grimassieren, kunstvollen Chargieren und haarsträubender Slapstickakrobatik (…). Im Zentrum seiner Regiekunst stehen der von ihm gestaltete Raum und die Körper seiner Spieler*innen – in ihrer komischen bis grotesken Überzeichnung, in ihrem Verhältnis zum Bühnenbild, aber auch in ihren physischen Besonderheiten und Formalisierungen durch die Kostüme und Masken von Victoria Behr. Was Fritsch und seine tollen Truppen aus diesen Körpern herausholen, hat weit mehr mit Choreografie, Physik und deren Überwindung zu tun als mit Narration und Psychologie. Damit stellt sich der Regisseur in die Tradition der den Unsinn feiernden Avantgardekünstler und Sprachmaterialisten, die er als Autoren für die Bühne wiederentdeckt und deren verbale Spielbälle er mit Hilfe des Bühnenkomponisten Ingo Günther in Musik verwandelt (…). Doch auch im Schwank des frühen 20. Jahrhunderts, in der kanonischen Dramenliteratur von Molière bis Dürrenmatt spüren Fritschs Spieler*innen sexuelle Untertöne auf, buchstabieren Verdrängtes körperlich aus und ringen alten Texten emanzipatorische Seiten ab: Gerade ihre hohe Virtuosität, das zugleich beherrschte und die Gefährdung suchende Spiel mit der Form, vermitteln dem Publikum ein Gefühl großer Freiheit. Ein Paradox und das seltene Glück der Spieler*innen und Bespielten bei Fritsch ist die Erfahrung, wie nahe Anarchie und Formvollendung, Verweigerung und Relevanz, Scheitern und Hoffnung beieinander liegen, ja, dass sie ohne einander nicht zu haben sind.“

Der mit 20.000 Euro dotierte Theaterpreis Berlin wird im Rahmen des 54. Theatertreffens (5. bis 21. Mai 2017) im Haus der Berliner Festspiele vom Regierenden Bürgermeister und Vorsitzenden des Rates der Stiftung Preußische Seehandlung, Michael Müller, verliehen. Die Laudatio hält Frank Castorf.
Der Termin der Preisverleihung wird zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Einladungen werden versandt; der Eintritt ist frei.
Anmeldungen bei der Stiftung sind erforderlich.

 Lange war er Schauspieler an der Berliner Volksbühne, dann feierte er als Regisseur und Bühnenbildner Erfolge. Herbert Fritsch erhält den Theaterpreis Berlin 2017.VON    Quelle : Der Tagesspiegel

Endlich! Diese Auszeichnung war fällig. Mit Herbert Fritsch bekommt ein Künstler den Berliner Theaterpreis, der seit Jahrzehnten das Publikum beglückt. Der Preis, gestiftet von der Preußischen Seehandlung, wird beim Theatertreffen im Mai verliehen. 20.000 Euro Preisgeld, und die Laudatio hält Frank Castorf. Wenn das nichts ist!

Bei Castorf an der Volksbühne hat er erst als Schauspieler gegiftet und geglänzt, charmiert und provoziert mit seinem unverwechselbaren Grinsen, bevor er, nach einer dunkleren Zeit, seinen Weg als Regisseur fand. Es ging über Oberhausen und Luzern, Halle und Schwerin dann wieder an die Volksbühne, in einer triumphalen Rückkehr. Fritsch hat nicht nur diesem Theater Spiel und Freude wiedergegeben. Er hat ein brillantes Ensemble von Artisten aufgebaut, das jetzt an der Schaubühne – Thomas Ostermeier sei Dank! – eine neue Heimat findet. In Fritschs Inszenierungen, für die er immer auch das besondere Bühnenbild entwirft, hat sich der alte Volksbühnen-Anarchismus in neue ästhetische Formen verwandelt.

Ein großer Komiker

Die Theaterpreis-Jury formuliert es so: „Im Zentrum seiner Regiekunst stehen die Körper seiner Spieler – in ihrer komischen bis grotesken Überzeichnung, in ihrem Verhältnis zum Bühnenbild, aber auch in ihren physischen Besonderheiten und Formalisierungen durch die Kostüme und Masken von Victoria Behr. Was Fritsch und seine tollen Truppen aus diesen Körpern herausholen, hat weit mehr mit Choreografie, Physik und deren Überwindung zu tun als mit Narration und Psychologie.“

Damit stellt sich der Regisseur in die Tradition der den Unsinn feiernden Avantgardekünstler und Sprachmaterialisten, die er als Autoren für die Bühne wiederentdeckt und deren verbale Spielbälle er mit Hilfe des Bühnenkomponisten Ingo Günther in Musik verwandelt.“ Der Jury gehörten Barbara Frey, die Intendantin des Schauspilelhauses Zürich, Wilfried Schulz, der Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, die Theaterkritikerin Eva Behrendt sowie der Intendant der Berliner Festspiele Thomas Oberender an.

Fritsch hatte gerade am Wiener Burgtheater mit Shakespeares „Komödie der Irrungen“ Premiere. So ist er. Irre. Ein großer Komiker. Und ein heftiger Melancholiker, wenn man sich den Konrad-Bayer-Abend „der die mann“ anschaut oder seine Abschiedsinszenierung an der Volksbühne, „Pfusch“. Jetzt aber einen dicken Tusch!

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