Staatballett Berlin tanzt Pina Bausch

Mit „Strawinsky“, der letzten Ballett-Premiere in der Spielzeit 2022/2023, nahm Intendantin Dr. Christiane Theobald Abschied vom Staatsballett Berlin. Damit erfüllte sie sich gleichzeitig einen langen, bis dahin unerfüllten, Wunsch, eine Choreographie von Pina Bausch in ihre Compagnie zu holen.
Mit „Das Frühlingsopfer“ tanzte das Staatsballett Berlin erstmals ein Werk der legendären Choreografin Pina Bausch. Und das mit außerordentlich großem Erfolg.

„Das Frühlingsopfer“ – Choreographie Pina Bausch
Staatsballett Berlin „Fruhlingsopfer“ Foto: Yan Revazov

„Das Frühlingsopfer“, von Pina Bausch für das Wuppertaler Tanztheater choreographiert und 1975 uraufgeführt, setzte das Staatsballett vor tänzerische Herausforderungen, die es in der klassischen Ausbildung so nicht kannte. Kein gewöhnliches, heidnisches Ritual steht im Mittelpunkt, keine tänzerisch ausgewogenes Für und Wider. Hier geht es tänzerisch anstrengend um Leben und Tod. „Tanz, tanz, sonst sind wir verloren“. Der Ausspruch eines Roma-Mädchens entsprach Pina Bausch‘s Tanzverständnis und das spürt man bei ihrer Choreographie. Es tut den Tänzerinnen weh, wie auch den Zuschauern, wenn sich die Frauen vor Angst in den Unterleib schlagen und sich voller Schmerz krümmen. Der Tanz ist körperlich ganzheitlich. Angst, der Schmerz, das Gefühl des Schreckens ist sichtbar, wenn klar ist, wer das rote Kleid als „Auserwählte“ bekommt. Wer nach dem Ritual für den Frühling, für das Leben, geopfert wird haben die Männer mit ihrem Anführer entschieden. Ein gewaltsamer, tänzerisch aggressiver Auftritt der Männergruppe. Und dann der Todestanz des Opfers. Zusammenbrüche, erneutes Aufbegehren, taumelnde Bewegungen bis zur sichtbaren Kraftlosigkeit, Erschöpfung, dem endgültigen Zusammenbruch und Tod.
Clotilde Tran, als Frühlingsopfer, gebührt nicht ein rotes, sondern ein goldenes Kleid und Strawinskys „Le Sacre du printemps“ erfährt mit dieser Choreographie eine Nachhaltigkeit, die bis ins nächste Jahrhundert reichen kann. Grandios.

Staatsballett Berlin „Fruhlingsopfer“ Foto: gab
„Petruschka“ – Choreographie Marco Goeckes

Bereits 2016 choreographierte Marco Goecke das Ballett „Petruschka“ von Igor Strawinsky für das Opernhaus Zürich. Petruschka war das erste Stück des Strawinsky Ballettabends in Berlin und zeigte eine andere choreographische Handschrift, als die von Pina Bausch. „Petruschka“ für Berlin jetzt einstudiert von Nicole Kohlmann, bleibt dennoch die große künstlerische Leistung von  Marco Goeckes an dem Stück.

Staatsballett Berlin „Petruschka“ Foto: Yan Revazov

Die Geschichte spielt auf einem russischen Jahrmarkt Anfang des 20. Jahrhunderts, auf dem Puppen zum Leben erweckt werden. Alexandre Cagnat, als Petruschka und David Soares als Rivale (ursprünglich „Mohr“) tanzen um die Gunst der Ballerina, Alizée Sicre. Eigentlich geht es sogar um deren Liebe in der „Burleske in vier Bildern“ – so bezeichnet von Strawinsky. Auf dem Jahrmarkt gibt es Bilder der Freude, aber auch mit Piroschkas Selbstzweifel, Eifersuchts- und Kampfszenen . Ein dunkles, in schwarz gehaltenes Bühnenbild, zeigt kontrastreich die Bewegungen der Tänzer, ihre Arme und Hände, ihre Regungen und Impulse, die ein Marionettentheater assoziieren. Synchron und diszipliniert ausgeführt, fast mechanisch. Aber genau der Musik und dem vorgegebenen Takt der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Giuseppe Mentuccia folgend. Eine sehr beachtenswerte tänzerische und musikalische Leistung von Compagnie und Orchester.

Der damalige Züricher Ballettdirektor Christian Spuck wird nun neuer Intendant in Berlin. Noch ist der Strawinsky Ballett Abend in seiner neuen Spielzeit nicht vorgesehen, aber für die Erfolgsgeschichte der bisher fünf Spielabende sollte es unbedingt Fortsezungen geben – die Standing Ovations der Zuschauer*innen waren ein unübersehbares und unüberhöhrbares Zeichen dafür.

Aufführung vom 24. Juni 2023 in der Staatsoper Unter den Linden

Staatsballett Berlin,
Musik: Staatskapelle Berlin unter der musikalischen Leitung von Guiseppe Mentuccia
Getanzt:
 „Petruschka“:
Liza Avsajanishvilli,, Elisa Carillo Cabrera, Marina Kanno, Anna Liening, Chinatsu Sugishima, Marco Arena, Grégoire Duchevet, Timothy Dutson, Achille De Groeve, Tyler Gurfein, Nicolai Korypaev, Konstantin Lorenz, Pablo Martinez.

„Das Frühlingsopfer“:
Iana Balova, Filipa Cavaco, Yoko Callegari, Marina Duarte, Weronika Frodyma, Julia Galitsina, Mari Kawanishi, Vivian Koohnavard, Alicia Ruben, Tabatha Rumeur, Eloise Sacilotto, Jenni Schäferhoff, Polina Semionova, Clotilde Tran, Pauline Voisard, Alexander Abdukarimov, Arshak Ghalumyan, Gregor Glocke, Suren Grigorian, Wolf Hoeyberghs, Cameron Hunter, Babcar Mane (als Gast), Alexei Orlenco, Filipo Pagani, , Lewis Turner, Dominic Whitbrook

Artikelfoto: gab