Dem Himmel näher – Begegnungen mit der Thai-Küche

Foto: j.schi

Das war Verführung pur. Die Tischdecke der blütenweiße Sandstrand, die Serviette das intensive Blau der Andamanensee, dazu die sanfte Schwüle der 33°, der Hauch von Wind als leichter kühlender Fächer. Dann der Blick auf den einfachen Tisch im Sand vor der Traumkulisse, das kräftige Blattgrün, das explodierende Tomatenrot, das Blütenweiß der Tuben und Garnelen, das Tiefdunkel der Paprika und die kleinen, verborgenen, unbekannten,  scharfen Geheimnisse

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Erste Begegnung der unbekannten Art. Som Tam ein erfrischender Salat aus grüner Papaya, die geraspelt und zerstoßen wird, aus grüner Mango, behandelt wie die Papaya und dazu in den Mörser Limettensaft, Palmzucker, kleine, getrocknete, leicht salzige Shrimps, Fischsauce und natürlich das Herzstück der südthailändischen Küche, die prik kii nuu suan, die Vogelaugen, die kleinen, teuflischen roten Chilis. Dieser ‘Stampf‘ ist das Herzstück. Je nach Fantasie dann noch rohe oder kurz angebratene Scampi, Tintenfisch oder Hühnerstückchen. Vielleicht auch rohes Gemüse, kleingeschnittene grüne Schlangenbohnen.  Verlockende Kleinheit. Der erste Versuch: eine unglaubliche Frische, eine Geschmacksvielfalt und dann die Explosion der kleinen Vogelaugen.  Ein Beben von Brennen, von Schärfe, Tränen vernebeln den Blick auf die Kulisse, die Gastgeber lächeln still in sich hinein.

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Dabei, erfahre ich später, war das nur ein Hauch von thailändischer Würzintensität. Eine wunderbare Erfahrung, der Gaumen klärt sich, der Blick wird wieder klar und widmet sich dem Genuss eines einfachen, schlichten, wunderbaren Gerichts. Alles was es an Leichtigkeit zu bieten gibt dazu kalorienarm, schmackhaft, würzig und gesund: Chili mit Wirkstoffen für die Atemwege, den Blutdruck, dem Herz und dem Verdauungssystem; Ingwer mit seiner gesundheitsfördernden Wirkung bei Magen- und Darmbeschwerden; die Limette als appetitanregendes Mittel, wirksam gegen Erkältungen, magenstärkend und gut bei Vitaminmangel. Nicht nur ein kulinarischer kleiner Hochgenuss, sondern auch ein unglaublich preiswerter Gesundheits- Cocktail . Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit der thailändischen Küche. Die aber gibt es genauso wenig wie die italienische, die deutsche oder die französische Küche. 4 Regionen prägen das Land, die Kultur, die Küche.

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Das alte Zentrum, eine fruchtbare Ebene mit dem Chao Phraya-Fluss. Hier vermischte sich Vieles, Orient, Europa, China, Japan Indien, Persien oder Portugal. In manchen Gerichten spiegelt sich das noch heute wider, beim gebratenen Wasserspinat (Bung Fai Daeng), dem grünen Curry( Kaeng Khiao Wan) oder dem beliebten Phat Thai, den gebratenen Thai Nudeln. Nordthailand gilt als Juwel der Kultur und der Küche. Kein Duftreis, sondern Klebereis, geformt zu kleinen Bällchen, gegessen mit den Fingern. Der Einfluss Myanmars wird schmeckbar durch milde Curries: Kaeng Hang Le (ein traditionelles Schweinecurry), Khao Soi (eine Curry Brühe mit Eiernudeln und Schwein, Frühlingszwiebeln und Limettenscheiben oder einer würzigen Wurst aus Schweinefleisch, dem Sai-Ua. Der Nordosten gibt sich gut gewürzt, Laos lässt etwas grüßen: der grüne Papaya Salat, der mir im Süden den Gaumen und die Sinne öffnete, scharfe Hühner- und Fleischsalate mit Minze, Süßwasserfische und Garnelen. Und dann der Süden mit der Fülle der Meeresfrüchte, der Fische, der Muscheln. Das Küchenparadies wird zum geschlossenen Kreis. Eine Synthese aus Kochen und Kultur, die außergewöhnlich ist. Die nächste Begegnung mit der südthailändischen Küche gab es  in Khao Lak Stadt. Khao Lak, jahrelang der Geheimtipp, heute –gerade nach der verheerenden Zerstörungskraft des Tsunami- wieder ein pulsierendes, lebendiges Touristenzentrum. Ruhiger, feiner, eleganter als das protzige, lautstarke Phuket. Traumstrände, kleine, einfache Strandrestaurants, überall Garküchen in der kleinen Stadt und elegante, edle Restaurants in einigen Hotels mit moderner, frischer,neuer, raffinierter Thaiküche. Khao Lak Stadt, ein Straßendorf mit der Kulisse aus Essen, Trinken und Massage und Schneiderkunst.

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Direkt an der Hauptstraße das ‚Discovery Café‘ – leicht grell, bunt, fröhlich. Am Tresen die Flaggen aller Herren Länder, schlichte Holztische, Servietten aus dem Papierspender, unterm Tisch die Kerze gegen Mücken. Einfach mit einer herrlichen leichten, gelungenen Küche. Hier erfuhr ich den Schärfegrad der besonderen Art und des besonderen Hinterhalts. Es geschah beim  Tom Yam Gung, der thailändischen Nationalsuppe.

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Unscheinbar dampfte sie vor sich hin, ein verführerischer Duft, ein sanftes Gemälde aus Garnelen, Tomaten, Zitronengras und Koriander. Genuss pur wollte ich erleben, ein Gaumenbeben der Stärke 8 auf der Schärfeskala erschütterte mich: eine Hitzewelle rollte über die Zunge, ein Schärfe-Tornado verwüstete Papillen, verursachte Schweißfälle und  dann, wenn man glaubt, nichts geht mehr, die verblüffende Verwandlung: ein kalkulierter Aromastop, der alles wieder in Sanftheit genießen lässt. Eine fabelhafte Wundersuppe, einfach zu machen aus gekochten Garnelenschalen, in die das Garnelenfleisch kommt, dazu Galgant, Zitronengras, Chilis, Chilimarmelade, Fischsauce, Palmzucker, Limettensaft und Koriandergrün. Meine Geschmacksnerven hatten Thailand erreicht und erfreuten sich noch an Wok-Gemüse mit Sojasauce und einem gegrillten Barrakuda.

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Ein kulinarisches Paradies am Straßenrand für € 8,25!

Dritte Gourmet-Test-Station wieder der Strand von Khao Lak.

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Tische und Stühle manchmal ein bisschen bunt durcheinandergewürfelt, dafür aber ein Teppich aus weißem Sand, auf dem  abends auch direkt aufgetischt wird, bis die Flut langsam an den Zehen nagt. Neben den Hotels und Resorts wachsen sie überall aus dem Sand, die kleinen Strandlokale mit Minipreisen und einfacher, frischer, sauberer Küche.

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Die Riesengarnele, nur kurz gegrillt,ein Paradebeispiel an Frische und Saftigkeit, der Tintenfisch mit Marzipankonsistenz

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und der gedämpfte Fisch schwamm wohlig in seinem leichten Sud aus Limettensaft, Kokosmilch und Fischsauce, begleitet von Limette, Chili und Koriander. Das Einfache als große Köstlichkeit, als Teil einer faszinierenden Kultur. Lyrische Epen über Liebe, Essen, Frauen und ihre kleinen Schwächen, die Bootslieder- Schöpfer ein Herrscher: Rama II.

‚Massaman-Curry ist wie ein Geliebter-So pfeffrig und duftend wie Kuminsamen. Sein verlockender Reiz erregt. Ich muss seinen Ursprung finden. ‘ ( aus: Thai Food von David Thompson S. 25  Collection Rolf Heyne)
Eleganter, preislich auch hochkarätiger, dann der Besuch des ‘Tai-Krai‘, einem ästhetischen und kulinarischen Höhepunkt im JW Marriott-Khao Lak ( über das Hotel in einer späteren Ausgabe mehr).

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Was Chef Tanasub  Trisup hier zaubert ist eine herrliche Vollendung und Umsetzung der großen thailändischen Klassiker. Sein Spiel mit den 5 ‚Heiligen‘ der Küchen-Aromatik  – süß, sauer, bitter, scharf und salzig- ist formvollendet. Kunst und Kochkunst in schöner Harmonie. Messer sind übrigens  ein unbekanntes Wesen, Stäbchen nur bei dem einen oder anderen chinesischen Gericht. Die Konsistenz der Zutaten ist so zart, dass alles mit dem Löffel zerteilt werden kann. Die Gabel ist nur  Begleitinstrument.
Hier erfahre ich auch zu meiner großen Überraschung die gelungene Harmonie des Ganzen. Kein Gericht wird beim authentischen Thaiessen einzeln serviert, sondern alle Gerichte kommen zusammen. Jeder isst von allem – nur so stellt sich das gelungene Gaumenkarussel aus den 5 Harmonien zusammen. Süß wird unmittelbar mit salzig konfrontiert, dann der etwas saure Kontrast, vollendet durch die Schärfe und dem leichten bitteren Beigeschmack.

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Tod Man Gong, die frittierten Garnelenküchlein, ein gelungenes Element. Eine einfache Zubereitung voller Sorgfalt und besten Zutaten. Oft diktiert der Rotstift und dann wirkt das Ganze schlampig, schludrig, zäh. Sägespäne lassen grüßen. Ein Geheimnis: die Masse immer wieder kräftig in ein Gefäß schlagen, damit sie viel Luft aufnimmt und später dadurch wunderbar  locker wird. Hier noch durch eine Panade  aus etwas Kokos und Panko wunderbar knusprig. Dazu Mama Lek’s geheime Sauce – ein erfrischendes Spiel mit süß und sauer.

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Überraschung brachte beim roten Curry mit gerösteter Ente die Cherry-Tomate im Zusammenspiel mit Ananas, Kokosmilch und Traube. Ein sanftes Prickeln, elegant abgeschmeckt, das ‚Heilige Basilikum‘ als Geschmacksverstärker. Der Gaumen erlebt eine sanft feurige Harmonie. Köstlich die neuste Kreation von Chef Tanasub, deep fried seebass mit einem Mango Salat.

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Alles brennt erträglich und wird gemildert  durch die grüne Mango und einem Hauch Papaya.  Noch zwei Beispiele einer wunderbaren thailändischen Hochküche:

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ein Curry aus dem Norden mit Huhn, Kokosmilch und Nudeln, die sanfte, milde Version des südlichen Nachbarn und

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frittierte Shrimps mit knusprigen Nudeln, die als Hülle dienen, dazu eine süße Chilisauce. Top Frische, schmelzender Meeresgeschmack, prickelndes Knusperteil und süße Schärfe der Chiilsauce.  Tradition und Moderne, Eleganz und Harmonie, Würze und Schärfe, erstklassige Grundprodukte – ein Thaiküchenerlebnis auf  verschiedenen Ebenen, verschiedenen Orten, verschiedenen Verfahren – aber immer ein unvergessliches Erlebnis. Ein immerwährendes Suchen und Finden. Pet als der ewige Begleiter. Pet bedeutet scharf, weniger scharf mai pet und die Frage, ob etwas scharf ist pet mai? Das aber sollte aus dem Touristenvokabular gestrichen werden. Thai Küche ist authentisch wenn sie pet pet ist, also sehr scharf. Wasser hilft übrigens nicht, auch kein Bier, das lindert nur für den Moment. Erste Hilfe bietet immer ein Löffel Reis.  Dann aber bitte wieder pet. Nur so erschließt sich eine der besten, gesündesten und interessantesten Küchen der Welt.

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Anmerkung: Wer sich intensiv mit der thailändischen Küche, den Repten und der Kultur auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich ‚Thai Food‘ von David Thompson, erschienen in der Collection Rolf Heyne, € 75,00. Das ZEITmagazin bemerkt zu Recht: ‚lohnt jeden Cent‘. Eine Besprechung folgt in einer späteren Ausgabe.

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